Gastbeitrag: Brüllende Eltern am Spielfeldrand – Warum Verbote alleine nicht helfen!

MFSFussballtraining.TV möchte auch anderen Experten in Form von Gastbeiträgen die Möglichkeit geben, ihr Wissen über Fußballtraining zu teilen. Heute an dieser Stelle schreibt für uns Susanne Amar vom Fußballblog https://ins-netz-gegangen.info/.

Hallo liebe Leser von MFSFussballtraining.tv,

Eltern im Jugendfußball sind ein spannendes Thema. Die, von denen man hört und liest, sind die, die negativ auffallen – neben und oftmals auch auf dem Platz. Dann wird nach Verboten und Regeln gerufen, es wird von „Den Eltern gesprochen“ und schnell werden alle über einen Kamm geschert. Dass es sich hierbei nur um eine Minderheit handelt und es übrigens ebenso viele Trainer gibt, die sich auch nicht fair und pädagogisch verhalten, wird oft außer Acht gelassen.

Warum brüllen, schimpfen, ja prügeln sich manche Eltern neben dem Spielfeld?
Wer schon mal am Wochenende im Stadion war, wird wissen, dass Emotionen zum Fußball dazu gehören. Einer meiner ältesten Freunde, der im „normalen“ Leben die Entspannung pur ist, wird zum Tier, wenn es um Fußball geht. Hier wird es akzeptiert, ja, ist es sogar gewünscht, wenn gebrüllt, geschrien, geschimpft wird – und das bekanntlich nicht immer fair.

Im Jugendfußball darf das nicht sein. Klar, hier geht es um Kinder und Jugendliche. Aber irgendwie schon ambivalent … Obwohl es auch hier um Emotionen geht. Um die vieler Eltern … Wenn es um ihr Kind geht, können Väter und Mutter schon mal zum Löwen und Löwin werden. Denn für sie gilt: Ihr Kind ist das Wertvollste für sie und sie wollen das Beste für Ihr Kind. Es soll wenig Ecken und Kanten spüren, einige gehen sogar so weit, dass sie alle Herausforderungen im Vorfeld umschiffen oder bereits lösen. Ob das hilfreich fürs Kind ist, ist ein anderes Thema.

Gleichzeitig wollen sie, dass ihr Sohn/ihre Tochter erfolgreich ist. Dann bekommt nicht nur der Nachwuchs, sondern auch die Eltern die entsprechende Aufmerksamkeit. Immer mehr Eltern definieren sich über die Erfolge ihrer Kinder. Ist mein Kind gut in der Schule, super im Sport, hat einen großen Freundeskreis, etc. dann habe ich als Mutter/Vater alles richtig gemacht.

Woher kommt diese Vereinnahmung vieler Eltern? Besagtes gesellschaftliches Ansehen kann ein Grund sein. Aber auch die eigene Geschichte kann dazu führen, dass ich alles für mein Kind tue, weil ich selber früher vielleicht nicht die nötige Aufmerksamkeit bekommen habe. Und es jetzt besser machen möchte. Um nur zwei Möglichkeiten zu nennen.

Die meisten Eltern, die brüllend am Spielfeldrand stehen, wissen nicht, wie sich ihr Verhalten für ihr Kind oder die Mannschaft anfühlt. Wenn jeder missglückte Torschuss kommentiert wird, sie angetrieben werden, schneller zu laufen, mit Sprüchen unter Druck gesetzt werden und abfällige Bemerkungen zum Umgangston gehören. Kein schönes Gefühl! Vielen Kindern ist das Verhalten ihrer Erziehungsberechtigten peinlich, unangenehm, sie schämen sind. Und vielen Eltern ist das nicht bewusst.

Klar, ist der Drang unter diesen Umständen groß, diesen Eltern Regeln aufzuerlegen. Von Erwachsenen für Erwachsene, meist ohne Erklärungen. Kann das gut gehen?

Ich sage: NEIN! Aus einem einfachen Grund: Ich kann nur etwas ändern, wenn ich es verstehe. Und das meine ich nicht nur auf intellektueller Basis, sondern auch auf emotionaler. In vielen Vereinen und Mannschaften ist es – noch – an der Tagesordnung, dass Eltern keine wirkliche Rolle im Jugendfußball spielen. Obwohl es ohne sie ebenso wenig gehen würde wie ohne die zahlreichen, teils ehrenamtlichen Trainer. Sie erhalten wenig Wertschätzung, werden nur herangezogen, wenn es um Pflichten wie Fahr- und Wäschedienst oder Kuchen- und Getränkestand bei Spielen und Turnieren geht. Keine wirklich gute Basis, um auch kritische Themen besprechen zu können. Dazu braucht es mehr …

Wie lässt sich die Situation verändern?
Zuallerallererst sollten wir akzeptieren, dass auch das ein Teil des Jugendfußballs ist und die Eltern, Trainer, Betreuer, Zuschauer, die durch dieses Verhalten auffallen, nicht immer in die böse Ecke stellen. Gleichzeitig sollten wir uns bewusst sein, dass wir nicht alle dazu bringen werden, ruhig und wohlwollend zukünftig am Spielfeldrand zu stehen.

Dennoch gibt es Möglichkeiten mit dem Thema umzugehen. Es braucht eine Basis, wie bei einem Haus ein gutes Fundament. In dem Fall bedeutet es, ein Miteinander mit den Eltern zu schaffen; sie bewusst in den Sport einzubinden; sich gegenseitig kennen zu lernen; zu erklären, wie Trainer und Eltern so reagieren wie sie es tun. Diese Form von Information und Transparenz fördert das Verständnis füreinander und ist der Anfang einer wertvollen Kommunikation. Wenn die geschaffen ist, ist es auch möglich, Konflikte wie das Verhalten am Fußballplatz anzusprechen …

Wie oben bereits erwähnt, wollen Eltern, dass es ihrem Sprössling gut geht. Dieses Gefühl wird getriggert, wenn man Eltern erklärt, wie sich ihr Kind in so einer Situation fühlen könnte. Um das selbst zu erfahren, arbeite ich in meinen Workshops gerne mit einem Tool: dem Perspektivwechsel. Ich zeige Eltern z.B eine typische Situation am Spielfeldrand auf. Sie schlüpfen in die Rolle des Spielers/ihres Kindes und in die Rolle des Trainers. Jetzt sollen sie überlegen, wie sie als Kind/Trainer auf die tobenden Eltern an der Seitenlinie reagieren und wie sie sich fühlen. Die Antworten, Ideen und Impulse auf die Frage „Was wünschen sie sich als Trainer/Spieler, wie sich Eltern verhalten sollten?“ ist immer sehr spannend. Denn viele Eltern nehmen ihr Verhalten danach anders wahr, was der erste Schritt zur Veränderung ist. Das ist der Punkt, an dem angesetzt werden kann, welche Regeln hilfreich wären bzw. wieso die FairPlayLiga Sinn macht.

Möglich wäre auch ein „runder Tisch“ mit Eltern und Spielern, moderiert durch einen Experten, in dem SpielerInnen beschreiben, wie sie sich fühlen, was sie nervt, was sie sich wünschen. Zu hören, wie unbehaglich, vielleicht auch schlecht sein Kind sich fühlt, lässt kaum ein Elternteil kalt. Und verdeutlicht, dass Eltern ein Vorbild für ihre Kinder sein sollten.

Einige Trainer werden sich nun fragen, um was sie sich noch kümmern sollen? Und ich kann sie verstehen. Doch gehört die Elternarbeit ebenso zum Jugendfußball wie die fußballerische Ausbildung. Ich möchte Trainer, Jugendleiter, Verantwortliche ermutigen, zu schauen, wie Eltern eingebunden werden, wie Informationen fließen können, wo sie Unterstützung brauchen. Solche Überlegungen brauchen Zeit. Doch ist ein Invest, was sich auszahlen wird. Denn je klarer die Struktur ist, je sicherer fühlen sich Eltern. Und kontroverse Themen lassen sich auf dieser Basis besser, vielleicht auch leichter, besprechen. Das gelingt wie mit einer neuen Spieltaktik nicht auf Anhieb und braucht Übung. Daher möchte ich an alle Trainer, die sich für diese Idee begeistern können, appellieren: „Seid geduldig mit Euch und Euren Eltern!“

Susanne Amar

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Susanne Amar ist Coach für Fußballer-Eltern und Trainer und berät Vereine darin, eine wertvolle Kommunikation zwischen Eltern und Trainern zu schaffen. Dazu hält sie Vorträge, gibt Workshops u. a. für die DFL-Stiftung und sitzt als Expertin auf Panels. In ihrem Blog Ins Netz gegangen schreibt sie regelmäßig über den Jugendfußball und in ihrem Buch Ins Netz gegangen Mein Leben mit einem Nachwuchskicker zwischen Schulbank und Torjubel gibt sie Einblicke, wie sie ihren Sohn über 10 Jahre von der F-Jugend bis zur B-Jugend-Bundesliga begleitet hat. Ab November 2019 erscheint ein Podcast. Mehr zu ihrer Arbeit unter https://www.susanne-amar.de

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