Das Kovac-Aus beim FC Bayern – Der Trainer ist immer schuld?

Das Experiment Kovac bei Bayern ist „krachend gescheitert“. So schreiben es einige Zeitungen nach dem Aus des Kroaten beim Rekordmeister. Die Idee des FC Bayern einen jungen, unerfahrenen Trainernovizen zu holen und damit eine neue Richtung einzuschlagen sei fehlgeschlagen. Doch wer hat Schuld an der Situation? Ist diese nur dem jungen Alter Kovacs geschuldet? Unserer Einschätzung nach ist die Lage vielschichtiger. Alle Beteiligten haben sich nicht optimal verhalten.

Für welche Art Fußball steht und stand der FC Bayern in den letzten Jahren? Angefangen bei Louis van Gaal ab 2009 über Heynckes und Guardiola waren die Bayern immer bekannt für dominantes Auftreten mit viel Ballbesitz und großer optischer Überlegenheit, „mia san mia“ eben.

Nico Kovac steht für nichts davon. Seine Idee von Fußball ist eine kompakte Defensive gepaart mit aggressivem Pressing und schnellem Umschalten. Dem Gegner soll erstmal der Ball überlassen werden um dann nach Ballgewinn überfallartig nach vorne zu spielen. So erreichte er zweimal das DFB-Pokal-Finale und konnte dies auch in der Saison 2017/18 mit 3:1 gegen den FC Bayern gewinnen.

Was aber bei der Eintracht, und aktuell z.B. auch bei Borussia Mönchengladbach unter Marco Rose, gut funktioniert war beim FC Bayern von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Dies hat mehrere Gründe. Zunächst widerspricht es dem Selbstverständnis eines Clubs wie dem FC Bayern München dem Gegner den Ball und das Spielfeld zu überlassen. Zwei weitere Aspekte wiegen aber noch schwerer. Da wäre zuerst die Kaderplanung. Viele Spieler in den Reihen der Münchner wurden noch von Guardiola oder Heynckes geholt. Entsprechend passen diese auch nicht ins Umschaltspiel von Kovac. Umso verwunderlicher, dass also ein Trainer geholt wurde, dessen Spielweise mit dem vorhandenen Spielermaterial überhaupt nicht zusammenpasst. Vor diesem Hintergrund ist auch die Verpflichtung von Phillipe Coutinho nicht nachvollziehbar, kann doch Kovac in seinem System mit einem solchen Spieler eigentlich nichts anfangen. Der zweite Aspekt ist, dass der FC Bayern in fast jedem Bundesligaspiel Ballbesitzwerte von 60+ Prozent hat. Ein Umschaltspiel a la Kovac ist so gar nicht umzusetzen, selbst wenn man es möchte. Wenig überraschend ist, dass der FC Bayern unter Kovac seine besten Spiele dann machte, wenn der Gegner selber den Ball haben wollte (5:0 gegen Dortmund, 7:2 gegen Tottenham).

Dies alles kann man sicher nicht Nico Kovac ankreiden, die Bayern Bosse wussten (oder hätten wissen müssen) auf was sie sich einlassen, wenn sie Kovac holen. Dennoch ist auch Kovac nicht frei von Schuld. Trainer wie Mourinho oder Guardiola verstehen es perfekt die Aufmerksamkeit stets von der Mannschaft fern zu halten indem sie das mediale Interesse komplett auf sich ziehen. Sie stellen sich schützend vor die Mannschaft. Bei Kovac hatte man zuletzt eher ein gegenteiliges Gefühl. Aussagen wie Müller als „Notnagel“, seine Spieler „schaffen nur 100 auf der Autobahn“ (im Gegensatz zum FC Liverpool), oder, dass die Mannschaft nicht mache was er sagt, wirken eher, auch wenn er vielleicht stellenweise missverstanden wurde, so als würde er die Mannschaft an den Pranger stellen um von sich abzulenken. Dazu kommen immer wieder fragwürdige Aufstellungen. Warum Kovac gegen Frankfurt, die erwiesenermaßen extrem aggressiv und konterstark sind, keine defensive Absicherung in Form von Martinez oder Tolisso auf die 6er Position stellte, bleibt uns ein Rätsel. Die rote Karte für Boateng fällt dann auch prompt aufgrund der fehlenden Absicherung. Viele Experten bemängelten hier eher das schlechte Zweikampfverhalten von Boateng. Aber die Tatsache, dass ein Spieler nach 8 Minuten in einen 50:50 Zweikampf gegen einen schnellen Stürmer muss, liegt mehr am taktischen System als am Spieler Boateng selbst. Es fehlte eben eine Absicherung, ein klassischer 6er, welcher Thiago einfach nicht ist. Spätestens nach dieser roten Karte hätte Kovac aber reagieren müssen, um nicht ins offene Messer zu laufen. Doch der erste Bayernwechsel folgte in der 57. Minute…

Ein dritter Faktor in der Causa Kovac ist der Umgang der Bayern-Bosse mit ihrem Trainer. Von Anfang an hatte man das Gefühl, Kovac sei nur die Notlösung, weil alle anderen Kandidaten schon abgesagt hatten. Dazu kommt, dass viele Aussagen von Rummenigge und Co. nicht dazu geführt haben, die Position von Kovac zu stärken. Hoeneß forderte vor dem Champions League Spiel in Piräus eine Einsatzgarantie für Martinez. Und Rummenigge hat bereits des Öfteren Kovac öffentlich kritisiert. Dazu kommt eine verfehlte Transferpolitik von Sportdirektor Salihamidzic. Exemplarisch ist die Verpflichtung von Coutinho. Dieser passt mit seiner Spielweise, wie bereits weiter oben angedeutet, überhaupt nicht in das System von Kovac. Umso verwunderlicher, dass eine solche Verpflichtung getätigt wurde. Es wäre stattdessen extrem wichtig gewesen, einen aggressiven, zweikampfstarken 6er, wie es Vidal einer war, zu holen.

 

Der Coutinho Transfer ist es auch, der das eigentliche Problem bei der Liaison von Kovac und den Bayern deutlich macht. Die Bayern haben sich einen Trainer geholt, der für eine bestimmte Art Fußball zu spielen steht, aber nicht ihr Spielermaterial an diesen Fußball angepasst. Wenn die Bayern vorgehabt hätten, wirklich einen Umbruch mit Kovac zu starten, hätte auch das Spielermaterial ausgetauscht werden müssen. Ein Lewandowski ist z.B. kein Stürmer für eine Mannschaft, die schnellen Umschaltfußball spielen möchte. Stattdessen hätte man Timo Werner oder z.B. Ante Rebic verpflichten können/müssen. Die Bayern haben mit Kovacs Verpflichtung einen neuen Weg eingeschlagen, waren aber nicht bereit diesen bis zum Ende mit zu gehen. So war das Experiment von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Aber nicht, weil Kovac ein junger Trainer ist, der noch keine großen Vereine trainiert hat, sondern weil seine Art Fußball spielen zu lassen nicht mit der DNA des FC Bayern und den vorhandenen Spielern kompatibel ist.

 

Herzliche Grüße

 

Michael Schuppke

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