Warum bringt der FC Bayern in den letzten Jahren so wenig Talente hervor?

Warum bringt der FC Bayern in den letzten Jahren so wenig Talente hervor und welche Maßnahmen sind dringend notwendig?

Diese Frage wird von den Medien sehr einseitig und oft mit vernichtendem Urteil behandelt.

Man muss diese Thematik aber sehr  differenziert betrachten. Zum einen wird das Thema der Durchlässigkeit nach Oben in den Vereinen kaum berücksichtigt. So spielen im Profiteam des FC Bayern fast ausschließlich Champions-League-Sieger, Weltmeister, Europameister und nationale  Meister, die alle zwischen 20-100 Millionen Euro Wert haben. Der ganze Kader ist gespickt mit den besten Fußballern Europas, welche fast alle Spieler in Ihrem Leistungszenit stehen. Ein 18-jähriges Talent verfügt weder über die Spielerfahrung eines gestandenen Profis, noch befindet er sich in seinem körperlichen und mentalen maximal möglichen Leistungsbereich. Die maximale Leistungsfähigkeit erreichen Spieler zwischen 24 und 29 Jahren.

Vergleichen wir die Durchlässigkeit mit Schalke, die im Moment viele Eigengewächse heraus bringen. Der Verein hat nicht die gleichen finanziellen Voraussetzungen wie der FC Bayern. Demnach werden immer wieder die besten Spieler abgegeben, wodurch Lücken für junge Talente entstehen. Der Verein ist auf den eigenen Nachwuchs angewiesen. Dementsprechend sind auch die Ansprüche und Ziele des Vereins niedriger als beim FC Bayern. Ein 18 jähriger kann den Ansprüchen Meister, Pokalsieger und Championsleague-Sieger werden zu müssen, kaum Stand halten.

Viele fragen sich, warum die U19 des FC Bayern in der Junioren-Championsleague mit 6:0 gegen Manchester City verliert und auch sonst kaum eine Rolle spielt? Dies kann man nicht nur auf die Ausbildung reduzieren. Manchester City oder auch andere große Clubs geben bereits in der U19 hohe Millionenbeträge aus, um die besten Talente weltweit frühzeitig nach Manchester zu holen. Dies kann also kein Indiz für schwache Ausbildung sein. Bei ihrer Einkaufstour für die U19 Mannschaften werden v.a. auch körperlich weit entwickelte und physisch sehr starke Spieler gekauft, so z.B. häufig aus afrikanischen Ländern.  Deutsche Talente hinken in dieser Altersklasse dabei oft oft noch etwas hinterher.

Trotzdem haben es in der Vergangenheit immer wieder Talente wie Thomas Müller, Philipp Lahm, Holger Badstuber, Diego Contento, Bastian Schweinsteiger und viele mehr in das Profiteam  geschafft. Die meisten jedoch zu einer Zeit, in der der FC Bayern zwar zu den 10 bis 15 Europäischen Topteams gehörte, aber nicht zur absoluten Weltspitze, wie es heute der Fall ist. Des Weiteren ist Luis van Gaal ein bekannterr Förderer von jungen Spielern und hat somit vielen heutigen Weltmeistern und Championsleague den Weg in die Weltspitze geebnet.

Demnach darf die Presse den FC Bayern nicht daran messen, wie viele Talente den Sprung zu den Profis schaffen, die sich dann auch tatsächlich im Profiteam etablieren. Sondern daran wie viele Talente aus der Jugend des FC Bayern sich in der ersten, zweiten und dritten Liga  bei anderen Bundesligavereinen durchsetzen  können.

Doch welcher Spieler hat denn nun eigentlich den Status „Beim FC Bayern ausgebildet“?

Spieler wie Joshua Kimmich, Mitchell Weiser oder Sinan Kurt, die mit 18 Jahren an die Säbenerstrasse wechseln, sind in meinem Verständnis kein Eigengewächse. Spieler wie Gianluca Gaudino oder Lucas Scholl, Philipp Lahm oder Thomas Müller, die seit der E – oder D-Jugend bei Bayern sind, zählen als solche und wurden hier auch ausgebildet. Ob Lucas Scholl und Gaudino den Sprung in die Profiligen schaffen, wird sich noch zeigen. Insgesamt kann man jedoch erkennen, dass es bei der Ausbildung beim FC Bayern noch hakt. Doch wo sind die Probleme und wo wird Uli Hoeness zukünftig ansetzen müssen?

Der erste Schritt läuft schon seit ein paar Jahren mit der Errichtung des neuen Leistungszentrums mit einer großen Anzahl an Internatsplätzen. Dadurch wird der Verein viel mehr Talente als im Moment  aus allen Länder dieser Welt zu sich holen können. Alleine dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit später Topspieler herauszubringen. Doch wenn man die größten Talente zum FC Bayern holt, muss der FC Bayern auch dafür Rechnung tragen, diese bestmöglich zu fördern. Und hier liegt eines der  größten Probleme derzeit. Wenn in der Presse die Rede von Jugendausbildung ist, wird meist von den Mannschaften U17, U19 und U23 gesprochen. In diesem Alter sollte allerdings die technische Ausbildung der Spieler bereits seit drei bis vier Jahren abgeschlossen sein. Die besten Talente wären in der U17 schon viel weiter, wenn in den Mannschaften von der U9 bis hin zur U16 auch die beste Ausbildung stattgefunden hätte.  Dazu muss der FC Bayern zwingend alle Trainer, auch im unteren Bereich von der U9 bis zur U13, hauptamtlich anstellen. Nur so können die Trainer ihre volle Energie einbringen und die Talente schon in jungen Jahren optimal fördern.

Um die Förderung noch zusätzlich zu forcieren, sollte der FC Bayern Individualtrainer für den technischen als auch für den athletischen Bereich in allen Jugendteams etablieren. Jeder Spieler sollte zumindest ein bis zweimal wöchentlich in einer kleinen Gruppe gezielter trainiert und somit ausgebildet werden. Nur so können die Schwächen, die nun mal jedes junge Talent hat, gezielt behoben und der Spieler somit auf ein höheres Niveau gebracht werden.

Es stellt sich uns immer die Frage, wie ein Stürmertalent  in der U17 und in der U19 im Wettbewerb eine hohe Trefferquote haben soll, wenn er dies nicht regelmäßig in hoher Wiederholung trainiert. Im normalen Training erhält der Spieler vielleicht 10 bis 20 Flanken oder Torschüsse. In einem Individualtraining wären es pro Stunde ca. 300 Wiederholungen! Dies gilt nicht nur für den Stürmer, sondern für alle Positionen.

Ein weiteres großes Ausbildungsproblem stellen Hallen- und Sommerturniere in  der Ausbildung der jungen Talente dar. Hier werden fast jedes Wochenende enorme Reisestrapazen in ganz Deutschland und teilweise Europa auf sich genommen, nur um bei renommierten Turnieren teilnehmen zu können. Gerade bei Hallenturnieren, aber oft auch bei Sommerturnieren, sind die Spielzeiten extrem kurz und es können nicht alle Spieler des Kaders mitgenommen werden. Die enormen Reisestrapazen, welche schon ein 9 oder 10-jähriger Spieler auf sich nehmen muss, wirken sich natürlich auf die schulische und oft auch auf die sportliche Entwicklung in hohem Maße negativ aus. Im sportlichen Bereich stehen einfach Aufwand und Ertrag in keinem ausgeglichenen Verhältnis zueinander. Wenn ein Spieler aus der U11 Freitag nach der Schule mit dem Zug 6 Stunden zu einem Hallenturnier fährt, um dort Samstag und Sonntag netto 40 Minuten zu spielen, stelle ich die Frage nach dem Sinn?! Und dass die Leistungen in der Schule oft schlechter werden ist auch klar, wenn er am Sonntag nach dem Turnier wieder mit dem Zug zurückfahren muss und um 22 Uhr in München ankommt. Ein normales Ausschlafen für den kommenden Schultag ist so nicht möglich.

Besser wären Leistungsvergleiche an einem Tag mit ein bis drei anderen Bundesligisten im Umkreis von ca. zwei Stunden, in denen alle Spieler ausreichend eingesetzt werden können. Somit könnten die Talente einen Tag regenerieren und sich auf Ihre Schule konzentrieren. Große Turniere sollten als einmalige Events über das Jahr verteilt in den Ferien stattfinden.

Und noch ein großes Problem sehe ich darin, dass sich der FC Bayern schon in der U9 auferlegt, jedes Spiel gewinnen zu müssen. Darauf werde ich in einem zweiten Teil näher eingehen.

Bis dahin eine gute Fußballzeit!

Euer Faxe

8 Gedanken zu „Warum bringt der FC Bayern in den letzten Jahren so wenig Talente hervor?

  1. Gordon Bunzel

    Treffer Faxe! Wer die Strahlkraft besitzt, die talentiertesten und besten Spieler eines Jahrgangs bei sich zu scharen, muss sich der Verantwortung stellen, ihnen auch die bestmögliche Ausbildung angedeihen zu lassen!

    Antworten
    1. David Niedermeier

      Hallo Gordon,
      da hast Du vollkommen recht! Leider sieht nicht jeder die Verantwortung so wie Du es tust. Vielleicht können wir ja durch „aufmerksam machen” etwas verändern?!
      Wir glauben fest daran und fordern diese Verantwortung von allen ein.
      Viele Grüße
      Faxe

      Antworten
  2. Carlos Enrique Girnt

    ich bin Torwarttrainer in der NLA Frauenfussball in der Schweiz.
    Mich interessiert Eure Auffassung oder Meinung und des Mfs´ s zum Thema „Standards Defensiv“ aus Sicht des Torwarts!
    Die Möglichkeiten hinsichtlich Standardsituationen in Tornähe sind nach meiner Meinung sicherlich über nahezu alle Ligen hinweg längst noch nicht ausgereizt. Ich bin sicherlich manchmal auch ein Querdenker in Bezug auf das Torwartspiel!
    Es geht um das Thema Freistoss-Staffelung defensiv. Wer steht wie und wo aus Sicht des Torhüters, aus Sicht des Freistoß –Ausführenden, Rechtsfuß und aus Sicht des Trainer/ Torwarttrainer. Wo steht der kleinste und wo der größte Spieler in der Freistoß-Mauer?
    Gibt es eventuell Trainingseinheiten als PDF oder Seminare Praktisch, Theorie oder Online?
    Ich bin ganz sicher, daß ich diesbezüglich auf Sie und die Mfs zählen kann und danke Ihnen schon jetzt für Ihre Bemühungen.

    mit sportlichen Grüßen vom Züricher Obersee

    Carlos Enrique Girnt
    Fussball Club Rapperswil-Jona Frauenabteilung
    Koordinator Torwartbereich/Torwart-Trainer

    Carlos Enrique Girnt
    Rütistrasse 4
    CH-8640 Rapperswil

    > Mail: carlosenrique.girnt@bluewin.ch

    Antworten
    1. Michi Schuppke

      Hallo Carlos,

      vielen Dank für deine Frage. Dieses Thema ist im Hinblick auf die Organisation der Defensive bei Standards enorm wichtig. Generell denken wir, dass es zunächst Sinn macht, bereits in der Besprechung vor dem Spiel oder auch im Training alle Eventualitäten durch zu sprechen und zu planen. Das gesamte Team sollte bei einer Standardsituation bereits so organisiert sein, dass es den Ablauf verinnerlicht hat. Soll heißen: Jeder Einzelne hat eine Aufgabe und weiß auch was dabei zu tun ist. Der Trainer entscheidet in seinem Matchplan über eine Raumdeckung, Manndeckung oder eine Mischform der Defensive.
      Der Torhüter hat beispielsweise die Aufgabe, das Fehlverhalten zu korrigieren, Varianten des Gegners zu erkennen und die Defensive dementsprechend vorzubereiten. Ein nicht unerheblicher Faktor ist dabei natürlich auch seine Ausstrahlung und Präsenz.
      Freistöße aus dem Halb-Feld sollten eher mutig und offensiver verteidigt werden. Die Staffelung der Defensive sollte eher weiter vom eigenen Tor weg sein, um Kopfballstarke Gegner fern zu halten. Der Torwart steht dabei im Raum. Diese Position ermöglicht ihm Flanken zu fangen, oder das Tor bei Kopfbällen oder Abschlüssen zu verteidigen. Gerade bei Freistößen zum Tor hat er dadurch einen Vorteil. Flanken die weg vom Tor gezogen werden (Bsp. Rechtsfuß von der rechten Seite) sind nicht so leicht abzufangen, da der Weg tendenziell weiter und das Getümmel größer ist. Der Rest der Mannschaft sollte so instruiert sein, dass sowohl die Mauer als auch die Angreifer abgedeckt sind. Diese Abläufe sind im Training einstudierbar.
      Bei zentralen Freistößen vor dem Tor, prüft der Torhüter die Stellung der Mauer. Die kleineren Spieler sollten eher außen, die größeren Spieler mittig stehen, da sie den direkten Weg zum Tor erschweren. Hier sollte aber im Mannschaftstraining nicht zu viel Zeit verschwendet werden.
      Eine kurze Erinnerung der Abläufe vor dem Spiel sollte trotzdem zu jeder Teambesprechung gehören.

      Viele Grüße und alles Gute
      Michi

      Antworten
  3. Horst Herrmann

    Hallo,
    ich denke die Arroganz des ganzen Vereins ist hier nicht förderlich.
    Es wird doch allen Kindern und Jugendlichen vorgegaukelt dass der FCB immer Recht hat und was der FCB macht immer alles richtig ist.
    Andere Meinungen sind nicht erlaubt!
    Wenn was nicht läuft wie gewünscht sind immer andere schuld…
    Das mia san mia ist augenwischerei…
    Sobald dann ein Jugendlicher das Trikot des FCB überstreifen darf glauben jinge Spieler und allen voran auch viele Eltern daß bereits was erreicht ist, wo es doch erst los geht.
    Die nötige Quälerei gibts nicht so wie es sein sollte in dem Alter.
    Wenn was nicht läuft

    Antworten
    1. David Niedermeier Beitragsautor

      Hallo Horst,
      ich gebe Dir in vielen Punkten recht, allerdings darf man nicht vergessen, dass ein Wechsel zu einem NLZ nicht in jedem Fall schlecht ist. Es kommt auf den Jungen, das Alter und das Umfeld an.
      Viele Eltern können das Ganze jedoch nicht wirklich beurteilen.
      Die Kinder bekommen durch das Angebot von Bayern eine riesige Anerkennung von ihren Mitmenschen. Und die Eltern sehen sich gezwungen dem Wunsch des Kindes nachzugeben.
      Wenn Dein Junge 18 Jahre alt ist, wird er Dich als Elternteil vielleicht für sein Scheitern verantwortlich machen, wenn Du Ihm den Wechsel verwehrst.
      Ich kann das als Vater auch irgendwo nachvollziehen. Ich werde demnächst einen Artikel darüber schreiben, um den Eltern eine Entscheidungshilfe zu geben.
      Vielen Dank für Deinen Kommentar
      Faxe

      Antworten
  4. Andreas

    sprichst mir aus der Seele!
    mein Bub war in der FCB U8. ein Jahr. Im Endefekt müssen wir froh sein, dass es nur das eine Jahr war.
    Das „immer gewinnen“ müssen und die damit verbundene Vorgehensweise der Verantwortlichen, immer nach besseren Spielern im Jetzt Alter zu suchen, ohne notwendigerweise Talente mittel/langfristig fördern zu wollen sorgt nicht dafür, dass sich Talent entsprechend entwickeln und entfalten darf.
    eigentlich schade.
    Gruß
    Andreas

    Antworten
    1. David Niedermeier Beitragsautor

      Hallo Andreas,
      ich kenne das, ich selbst war Trainer der U 11 letztes Jahr. Die Gefahr, dass sich ein Junge einfach körperlich innerhalb des Jahres nicht weiterentwickelt birgt die Gefahr trotz großem fußballerischen Potential „raus zufallen“. Meist hat man einem 8-Jährigen dann schon sein größtes Ziel genommen und damit auch den Motor seiner Motivation. Diesen Jungen dann wieder zu motivieren und auf Kurs zu bringen ist unendlich schwer. Oft haben die Jungs eine großes Schamgefühl in den Heimatverein zurückzukehren.
      Die zu Beginn große Anerkennung, beim FC Bayern spielen zu dürfen, wechselt in Traurigkeit und Mutlosigkeit. Ich hoffe Du schaffst es, deinen Jungen wieder auf Kurs zu bringen. Dann wird er seinen Weg gehen. Wir drücken Euch ganz fest die Daumen!!
      Viele Grüße
      Faxe

      Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert