Wann macht ein Wechsel zu einem NLZ Sinn?

Als Trainer in der Münchner Fussball Schule werden wir immer wieder mit einem eventuell bevorstehenden Wechsel einer unserer Spieler zu einem Lizenzverein konfrontiert. Eltern und auch Spieler kommen mit ihren Sorgen, Ängsten und ihrer Unsicherheit über die bevorstehende Entscheidung zu uns und fragen um Rat.

Was können wir den Eltern raten? Wo liegen die Vorteile? Wo liegen die Gefahren?

Es gibt bei dieser Frage kein generelles Anraten oder Abraten zu solch einem Wechsel. Ein möglicher Wechsel ist sehr differenziert und individuell für jeden einzelnen Spieler zu betrachten. Was für den einen genau richtig sein kann, ist für den anderen eine Katastrophe.Zunächst gilt es jedoch zu erwähnen wo die Gefahr für den Spieler lauern könnte.

Egal welchen kleinen Fußballer Sie fragen, was denn wohl sein Ziel im Leben sei, kommt sehr wahrscheinlich die Antwort: Fußballprofi. Dieses Ziel ist die große Motivation für sehr viele ambitionierte Spieler und ermuntert sie jeden Tag fleißig zu trainieren und zu üben.

Das Angebot eines Lizenzvereines sorgt für anfänglich riesige Anerkennung in Schule und Team und löst bei dem Spieler eine große Euphorie aus. Die Jungs würden am liebsten sofort wechseln ohne darüber nachzudenken. Die Eltern befinden sich damit auch unverzüglich in einem Dilemma. Dem Jungen diesen Wechsel zu entsagen, bedeutet automatisch, dass man sich dies vielleicht später als Vorwurf anhören muss, man hätte die Karriere des Sohnes zerstört.

Daher müssen wir Trainer immer großes Verständnis für Spieler und Eltern aufbringen und sie lediglich über Vor- und Nachteile eines Wechsels informieren. Im Gegenteil, wir Trainer können stolz auf unsere Arbeit sein, dem Jungen dies ermöglicht zu haben. Die Tatsache, dass der Spieler die Möglichkeit bekommt, ist somit ein Gütesiegel für die eigene Arbeit.

Ein Wechsel zu einem Lizenzverein birgt aber auch die Gefahr, diesen wieder verlassen zu müssen. Häufig spielen hierbei Gründe wie ein verspätetes Einsetzen der Pubertät, Probleme in der Schule oder im Elternhaus oder ein generell junges biologisches Alter eine Rolle, die der Spieler nicht selbst beeinflussen kann.

Sobald der Spieler den Stempel bekommt, dass er ist nicht gut genug sei, platzt der Traum vom Fußballprofi. Die anfängliche Euphorie erlischt von jetzt auf gleich. Die meisten Spieler haben kein Ziel mehr vor Augen und empfinden häufig die Scham des Scheiterns. Oft kehrt der Spieler nun zum Heimatverein zurück, wo nur 2-3-mal die Woche trainiert wird. Freunde und Freizeit gewinnen wieder mehr an Bedeutung. Das Talent aber ist verbrannt.

Dabei war der Wechsel zu einem Lizenzverein vielleicht einfach nur verfrüht und eine solche Entwicklung eventuell schon vorher absehbar.

Wie wir in vorangegangenen Artikeln bereits beschrieben haben, sind 85 % aller Spieler in den Lizenzvereinen zwischen dem 1. Januar und dem 31. März geboren. Damit ist klar, dass fast ausschließlich nur Frühgeborene durchsetzungsstarke Spieler eine „Überlebenschance“ haben. Gerade Jungs die im letzten Quartal geboren sind, haben kaum eine Chance, da sie meist körperlich (biologisch) total hinterherhinken. Während die anderen frühgeborenen Spieler im Alter von 13 Jahren in die Pubertät kommen und zu Männern heranreifen, bleibt der biologisch junge Spieler weit zurück.

Auf Grund des damit verbundenen mangelnden Durchsetzungsvermögens schwindet seine Spielzeit. Das Selbstvertrauen wird immer schwächer, so dass die eigentliche Leistungsfähigkeit nicht mehr abrufbar ist. Das Ende im Lizenzverein ist damit absehbar. Das große Ziel und die wichtige Motivation für den Fußball ist verloren.

In solchen Fällen ist es sinnvoller dem Wechsel zum Lizenzverein vor der Pubertät zu entsagen und zu einem ambitionierten Verein zu wechseln, der ein zwei Klassen niedriger spielt als der Lizenzverein.  Hier erhält der Spieler volle Einsatzzeiten, gewinnt an Selbstvertrauen und kann sein volles Potential entfalten. Zusätzlich macht es Sinn individuelle Trainingseinheiten in Sachen Schnelligkeit, Kräftigung und Technik zu organisieren, um sich weiter optimal zu entwickeln. Sobald sich der körperliche Nachteil ausgleicht zeigt sich erst, wie groß das Potential des Spielers tatsächlich ist. Bei einigen Talenten dauert dieser Vorgang an, bis sie 21 sind. Bei anderen ist die Wachstumsphase bereits mit 16 Jahren abgeschlossen. Wenn der Spieler zu diesem Zeitpunkt stark genug ist, macht der Wechsel absolut Sinn. In diesem Alter beginnen die Jungs auch langsam, ihre Chancen Profifußballer werden zu können, selbst einzuschätzen und suchen sich neue Ziele, die lohnenswert sind. Dies kann ein 8-13jähriger eben nicht.

Die körperliche Entwicklung können wir nicht definitiv bestimmen, sondern nur erahnen. An Hand von Herkunft, Wesen und Wachstumsentwicklung der Eltern können wir die Entwicklung und das Potential des Spielers in etwa abschätzen. Ein frühzeitiger Wechsel zu einem Lizenzverein ist demnach einem biologisch jungen Spieler eher nicht zu raten. Vor allem dann, wenn er in seinem Heimatverein oder nahliegenden Verein die optimalen Bedingungen vorfindet. Diese möchte ich im Folgenden kurz aufzählen:

  • Heimatverein spielt relativ hochklassig (ist erst ab der D – Jugend wichtig)
  • Der Trainer des Teams ist ambitioniert und gut ausgebildet
  • volle Spielzeiten für den Jungen (gehört er zu den Besten in seinem Team?)
  • kurze Anfahrtswege zum Heimatverein (wie weit ist der Anfahrtsweg zum Lizenzverein?)
  • Möglichkeit von zusätzlichen Einheiten
  • familiäre und harmonische Umgebung
  • Persönlichkeit ist noch eher zurückhaltend und kindlich

Prinzipiell kann man aber sagen, dass ein Wechsel zur richtigen Zeit und zum richtigen Lizenzverein absolut Sinn macht. Dabei ist wie gesagt auf die biologisch absehbare Entwicklung des Spielers zu achten.

Wenn der Spieler beim Lizenzverein unter den besten sechs Spielern einzuschätzen ist und körperlich (biologisch) relativ weit entwickelt im Vergleich zu seinen neuen Mitspielern ist, sollte man den Schritt wagen. Dies sollte durch einen unabhängigen Trainer, dem die Eltern vertrauen, an Hand von Spielbeobachtungen, eingeschätzt werden. Denn auch Lizenzvereine brauchen Auswechselspieler und die Nummer 16 in einer Mannschaft zu sein, darf in der Jugend nicht das Ziel sein.

Gehört er zu den besten sechs, wäre zum einen genügend Spielzeit während der Saison garantiert. Zum anderen ist die Chance, dass der Spieler noch ein paar weitere Jahre im Lizenzverein überlebt, relativ hoch.

Weitere Vorteile liegen sowohl im sportlichen als auch im menschlichen Bereich. Die Spieler in Nachwuchsleistungszentren werden und müssen sich sehr diszipliniert verhalten. Des Weiteren müssen sie Schule und Sport unter einen Hut bringen, was die Kinder und Jugendlichen zu selbständigen und gut organisierten Menschen erzieht. Für Partys, Rumhängen, Alkohol trinken und Kuchen bleibt da nicht viel Zeit. Somit lernen die Spieler ein diszipliniertes Verhalten, nicht nur sich selbst, sondern auch ihren Mitmenschen gegenüber.

Sportlich messen sich die Jungs an den besten Spielern der Region, was für die sportliche Entwicklung der „besten Spieler“ des Teams absolut förderlich ist und Ihr Potential noch weiter entfalten lässt.

UND: Nicht immer muss das Ziel Fußballprofi sein. Nach der Jugend höherklassig Fußballzuspielen macht unheimlich viel Spaß, man lernt viele neue Leute kennen, treibt regelmäßig Sport und ernährt sich einigermaßen gesund. Und nebenbei kann man sich ein bisschen Geld für das Studium verdienen. Leistungssport ist für die menschliche Entwicklung sehr positiv und bereitet die Jungs für die spätere Arbeitswelt perfekt vor.

Dazu gehören:

  • Ziele im Team ambitioniert zu verfolgen.
  • sich selbst aber auch anderen gegenüber diszipliniert zu Verhalten.
  • sich unterordnen zu können
  • Regeln einhalten zu können
  • Konflikte lösen zu können usw.

Fußball ist Mehr! Fußball ist eben Leben Lernen…

Euer Faxe

6 Gedanken zu „Wann macht ein Wechsel zu einem NLZ Sinn?

  1. richard rembs

    ….Respekt David,

    seh ich absolut genauso – dieser Kommentar
    kann sehr hilfreich und zielführend für Eltern und
    Kinder sein.
    Vinz hat jetzt den neuen Trainingsplan von Deisenhofen
    bekommen – 4 mal wöchentlich!
    Jetzt wirds eng zumal Vinz verdammt gern bei euch
    Die FS besucht
    Was meinst?

    Gruß Richard

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  2. Heinz Hrase

    Dieser Beitrag sollte eigentlich Pflichtlektüre für alle (-vor allem sehr ambitionierte-) Eltern sein !
    Viel besser kann man es nicht auf den Punkt bringen.
    Danke Faxe & weiter so !
    Gruß
    Heinz

    Antworten
  3. Fiete

    Hi.

    Absolut toller Beitrag.

    Das hilft mir als Trainer sehr in den täglichen Gesprächen und der Argumentation mit den Eltern meiner E-Junioren. 8 bis 10 Jährigen.

    Danke und sportliche Grüße.

    Fiete.

    Antworten
    1. Michi Schuppke

      Das ist doch super. Auch das wollten wir erreichen…denn wir alle führen diese Diskussionen und müssen mit guten Argumenten Rede und Antwort stehen. Das freut mich…

      Viele Grüße

      Michi

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  4. Kevin Behm

    Hallo
    Ich bin 15 Jahre, gehe in die 10 Klasse der Realschule und liebe Fußball.
    Ich spiele schon seit 7 Jahren in einer Kreisliga
    Ich könnte bestimmt höher spielen, nur leider geht es nicht weil ich in einer kleinen Stadt lebe wo es keine guten Vereine gibt.
    Und ich habe jetzt eine Frage:
    Was soll ich machen?
    Soll ich nach der 10 Klasse in eine Fußballschule oder in ein NLZ gehen?
    Oder soll ich normal nach der Schule arbeiten, umziehen und dann einen besseren Verein suchen?

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