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Teil 2: Taktische Spezialisierung im Fußball- Die Gefahr der Berechenbarkeit!

Wir haben in unserem ersten Teil v.a. den VFB Stuttgart  und deren Umschaltstrategie kritisch betrachtet. Wie abschließend erwähnt, wollen wir jetzt diskutieren, wie langfristig erfolgreich oder eben nicht diese taktische Strategie ist. Wir finden, dass auf Dauer ein großes Problem entsteht.

Spielt ein Team mit dieser Umschaltstrategie und befindet sich in mehreren Wettbewerben wie Bayer Leverkusen, so kommt die Ermüdungs- und Verletzungsproblematik hinzu. Die Statistiken zeigen, wie hoch die Belastung der Spieler in diesen Teams ist. Die Regenerationszeit reicht dann bei diesen hohen Belastungen nicht mehr aus. Die Effektivität des Umschaltens und des Gegenpressings wird mit der zunehmenden Anzahl an Wettkämpfen immer schlechter und die Wahrscheinlichkeit, dass das Gegenpressing überspielt wird, ist noch höher.

Auch Jürgen Klopp hat diese Strategie sehr erfolgreich zwei Jahre durchgezogen und ist mit dieser Strategie auch sehr erfolgreich zweimal Deutscher Meister geworden. Im letzten Jahr hat Dortmund allerdings den Preis dafür bezahlt. Kein Team hatte so viele schwere und langwierige Verletzungen wie der BVB.

Die zweite Konsequenz war, dass die Gegner dem BVB nicht mehr in die Karten gespielt haben und dem BVB den Ballbesitz komplett überlassen haben. So haben die gegnerischen Mannschaften die Anzahl der Gegenpressing- und Umschaltsituationen aus dem gelenkten Pressing  heraus durch eigene Gegenstrategien minimiert. Nun wurde der BVB in das Ballbesitzspiel gedrängt, hat aber zwei Jahre lang speziell nur das Umschalten trainiert. Die Automatismen jetzt auf einmal aufzubrechen, war für die Spieler ganz offensichtlich eine größere Herausforderung, als gedacht. Somit kam der BVB selbst immer wieder in Gefahr, ausgekontert zu werden. Häufig ist genau das passiert! Der FC Bayern hat dies eindrucksvoll in Dortmund demonstriert und dabei wohl nicht nur den BVB überrascht.

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Betrachten wir eben dazu kontrovers den FC Bayern. Durch die Ballbesitzstrategie ist der FC Bayern meist bei Werten von über 65 % Ballbesitz und hat mit die geringsten Laufleistungen aller Mannschaften. Die Anzahl an Zweikämpfen und Sprints ist also eher gering. Damit ist diese Spielphilosophie enorm ökonomisch und für einen Club, der Dreifachbelastungen hat, perfekt geeignet und extrem erfolgreich. Doch auch diese Philosophie hat seine Schwächen. Vor Allem gegen die stärksten Kontermannschaften der Welt.

Der FC Bayern erreicht diese hohen Ballbesitzzahlen einmal durch ein herausragendes Aufbauspiel und eine fast perfekte technische Qualität. Zudem erreichen sie das aber auch durch das sofortige Umschalten auf Gegenpressing bei Ballverlust und durch das konsequente Forechecking bis vor auf den Torwart. Für Bundesligateams sind das Gegenpressing und die Absicherung durch extrem schnelle Abwehrspieler wie z.B. Boateng oder Alaba ausreichend, um kaum eine Torchance zulassen zu müssen. Diese sprichwörtliche Erdrückung des Gegners führt dazu, dass es kaum mehr einem kleinen Team gelingt, den FC Bayern zu schlagen. Dies ist früher noch häufiger vorgekommen. Aber: das System hakt im internationalen Vergleich mit den großen Vereinen, wenn man auf Konterspieler wie Ronaldo, Bale, Suarez oder Neymar trifft. Schaffen es diese Teams das Gegenpressing zu überspielen, ist der Raum dahinter so groß, dass auch ein Boateng oder Alaba diese Spieler nur schwer kontrollieren können.

Um die Bundesliga zu dominieren und dabei viel Kraft zu sparen, ist dieses System unglaublich gut – gegen die großen Teams wird es sich zeigen. Wäre es nicht genial, wenn ein Team Beides beherrschen würde? Wenn der FC Bayern plötzlich die Umschaltstrategie gegen Real Madrid wählt und sie damit total überrascht? Guardiola hat dies wie erwähnt gegen den BVB im Pokal in der letzten Saison schon mal gemacht und den BVB damit komplett überrascht!

Jetzt gibt es noch einen Punkt, der auffällig ist und irgendwo schwer nachzuvollziehen ist: führt ein Team wie Bayer Leverkusen in der Champions League gegen ein international gutes Team 2:0, dann wird trotzdem die Strategie weiter verfolgt und noch mehr Tore sollen her. Die Ergebnisse gegen Rom kennt jeder. Warum wird dann nicht für einen Moment die taktische Marschroute verändert? Warum zieht man sich nicht ein wenig zurück und verlagert sich wenigstens für eine gewisse Zeit auf das Konterspiel. Das würde den Spielern auch physisch betrachtet eine kleine Auszeit geben, so dass zu einem späteren Zeitpunkt wieder die Pressingstrategie gefahren werden kann? Stattdessen werden wie oben beschrieben die eigenen Pressingaktionen immer weniger effektiv durchgeführt und man wird von einer  cleveren Mannschaft wie den AS Rom bestraft. Man bringt sich selbst um die Früchte der eigenen Arbeit.

Welche Schlüsse ziehen wir für unsere Ausbildung der jungen Spieler? Unserer Meinung nach müssen wir unsere Jungs von klein auf auch taktisch so vielseitig ausbilden, damit sie später sowohl das gelenkte Pressing, als auch das Gegenpressing, das Umschalten und das Spielen in Ballbesitz beherrschen.

Eine gute Fußballzeit und weiterhin viel Erfolg

Euer faxe

Taktische Spezialisierung im Fußball- Die Gefahr der Berechenbarkeit!

In der Bundesliga sieht man immer häufiger eine Spezialisierung der Teams auf eine bestimmte Spielphilosophie. Sei es der FC Bayern, der überwiegend auf Ballbesitz setzt, oder der VFB Stuttgart und Bayer Leverkusen, die sich fast ausschließlich auf das schnelle Umschaltspiel spezialisieren. Eine Spezialisierung hat den kurzfristig großen Vorteil, Weiterlesen