Nicht Erfolgsorientiert Denken!

Gestern haben wir unseren ausbildungsorientierten Fußball vorgestellt und erklärt, warum dieser für die Ausbildungsjahrgänge F- bis D-Jugend der richtige Weg ist, um langfristig ein besserer Fußballer zu werden. Im Gegenspiel zu unserem ausbildungsorientierten Fußball steht der rein erfolgsorientierte Kinder- und Jugendfußball. Dessen oberstes Ziel ist, wie es der Name schon sagt, das Gewinnen. Und zwar um jeden Preis. Warum hemmt dieser Weg die Kinder in ihrer Entwicklung und schöpft nicht das maximale technische Potential aus?

Die Spiele müssen gewonnen werden. Die Anzahl der erzielten Tore und die Tabelle gelten als Qualitätskriterium Nummer 1 für eine gute Jugendausbildung. Ob also ein Jugendtrainer in diesen Altersklassen gute Arbeit gemacht hat oder nicht, wird nicht an der Entwicklung der Spieler festgemacht, sondern am Tabellenplatz. Daher werden die Bälle bereits in der F-Jugend bei nur einem Hauch von Druck unkontrolliert nach vorne geschlagen. Unkontrolliert deswegen, weil die Spieler noch keinen sauberen hohen Pass spielen können, weil sie entweder ihn noch nicht gelernt haben oder schlicht noch zu jung sind. Tore werden damit eher per Zufall erzielt oder ein sehr schneller Spieler flitzt der hohen Kugel hinterher und sobald der Ball halbwegs flach am Boden ist, wird abgeschlossen. Ein ruhiger, kontrollierter Spielaufbau ist zu riskant – gerade in jungen Jahren passieren dabei relativ viele Fehler. Es entstehen also mit einer höheren Wahrscheinlichkeit Gegentore. Daher werden technische Lösungen der Spieler oder Tricks auch gerne als „Zirkusnummern“ betitelt. Sie sollen doch bitte geradlinig spielen. Dadurch aber lernen die Kinder nur den leichtesten Weg und stellen sich keinen Herausforderungen im Spiel. Sie entwickeln sich in der Folge technisch nur sehr wenig weiter. Ein Dribbling mit einer Wende und einem Frontaltrick mit einem anschließenden Pass und das mehrfach pro Spiel von einem Spieler, bedeuten eine Vielzahl von Ballkontakten für den einzelnen Spieler. Den Ball kurz annehmen und lang nach vorne schießen und das auch mehrfach pro Spiel – das sind viel weniger Ballkontakte, die der Spieler aber zum besser Fußballspielen lernen dringend brauchen würde.

Dazu kommt, dass in dieser Philosophie die körperlich schwachen und somit meist biologisch jungen Kinder benachteiligt werden, da sie sich – auch aufgrund fehlender technischer Ausbildung – nicht gegen die körperlich Starken durchsetzen können. Sie verlieren halt den Zweikampf, was aber noch völlig normal ist. Wieder jedoch ein Grund mehr für den Trainer, nicht das 1 gegen 1 zu fördern, sondern den Ball lieber wegschlagen oder den Sicherheitspass spielen zu lassen. Und selbst dann verlieren die körperlich retardierten meist das Spiel – sie können unter Druck einfach noch nicht bestehen. Und seien sie noch so gute Kicker. Oftmals werden dann pauschal die körperlich weit entwickelten Kinder als die „guten“ und die etwas retardierten Kinder als die „schlechten“ angesehen. Die Trainer ignorieren aber, dass das biologische Alter der Kinder stark von ihrem richtigen Alter abweicht, weshalb innerhalb eines Jahrgangs ein Altersunterschied von mehreren Jahren entstehen kann. Aufgrund dieser Ignoranz der Trainer werden die Kinder nicht gleich gefördert – sie werden gerne in eine E1 und E2 eingeteilt (und die E2 hat dann oft keinen guten Trainer) oder bekommen nicht die gleichen Spielzeiten – und die Mannschaft wird inhomogen. Klar: die E1 gewinnt die Spiele und die E2 halt nicht. Aber technisch gute Fußballer bekommen wir dadurch nicht. Die vermeintlich besseren können oder dürfen trotz der körperlichen Überlegenheit nicht. Und die angeblich schlechten und biologisch jungen, die aber oft technisch ganz feine Spieler sind, werden gar nicht ausgebildet und gehen komplett unter.

Mit dem erfolgsorientierten Fußball kommt auch der zu hohe Leistungsdruck in Training und in Spielen.

Wie gesagt: die Kinder dürfen sich nicht frei entfalten, werden bei Fehlern angemeckert und dürfen kein Risiko gehen. Der Tabellenplatz definiert die Fähigkeit der Kinder und ihr Können, weshalb sie unter ständigem Druck stehen, Spiele gewinnen zu müssen. Dabei dürfen sie natürlich ja keine Fehler machen und daher auch nichts ausprobieren. Ein weiterer Faktor ist das sog. „Messen mit den Besten“, bei dem auch die körperlich akzelerierten Kinder im Spiel fast ausschließlich dem Ball hinterherlaufen müssen und somit selbst kaum mit dem Ball spielen können. Sie verteidigen nur ohne selbst am Ball zu sein. Eine technische Entwicklung kann aber nur stattfinden, wenn die Kinder den Ball selbst am Fuß haben. Verlieren sie dann logischerweise gegen die Besten („die Kinder müssen lernen mit dem Druck umzugehen“), wird dann vom Trainer gefordert, dass sie so gut werden wie die Gegner, was erneut Druck auf die Kinder ausübt.

Der letzte Faktor, der den Druck auf die Kinder erhöht und somit kein freies, experimentierfreudiges und lebendiges Spiel zulässt, ist die klare Aufteilung in „Stammelf“ und Ersatzbank. Den Kindern auf der Ersatzbank wird klar vermittelt, dass sie schlechter sind als ihre Mitspieler, was logischerweise das Selbstvertrauen der Spieler/innen schwächt. Und sie dürfen sowieso kaum spielen und werden dann auch schon im Training vernachlässigt. Sie haben keine Chance, ein guter Spieler zu werden. Spielen sie dann doch einmal, stehen die Auswechselspieler so unter Druck ein gutes Spiel abzuliefern, um das nächste Mal in der Startaufstellung zu stehen, dass sie nur noch Fehler machen und eine Abwärtsspirale entsteht. Und nochmal: wir wissen in einem Alter von ca. 10 Jahren einfach nicht, ob einer ein wirklich guter Spieler ist oder nicht. Es handelt sich um eine Momentaufnahme, mehr nicht. Der Ersatzspieler hat oft gute Ansätze und braucht einfach Zeit, Selbstvertrauen und guten Input.

Insgesamt zeigt sich, dass der erfolgsorientierte Fußball möglicherweise kurzfristig einen guten Tabellenplatz verspricht, die Kinder aber in ihrer Entwicklung definitiv hemmt und nicht das volle technische, koordinative und auch taktische Potential ausschöpft. Ein Spieler mit einem limitierten Fußballschatz entsteht – mehr leider nicht!

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Eine gute Fußballzeit!

Euer Michi

3 Gedanken zu „Nicht Erfolgsorientiert Denken!

  1. Kevin

    Hallo Coach,

    ich finde Eure Kommentare immer sehr sinnvoll und stehe voll hinter Eurer Philosophie Fußball SPIELEN zu wollen, Positionswechsel der Kinder durchzuführen und nicht auf das Ergebnis zu gucken.
    Ich verstehe aber leider auch warum soviele Trainer leider nicht nach Eurer Philosophie arbeiten sondern auf Ergebnis und Tabelle achten.
    Nach welchen Kriterien wird denn ein „guter Trainer“ von einem NLZ gescoutet?! Leider gucken viele NLZ Leiter eben auch nicht auf die Entwicklung von Spielern und Mannschaften, sondern sie holen sich die Trainer die Pokale, Meisterschaften vorweisen können. Es ist ja auch einfacher nach diese Indizien einen Trainer zu finden als das man sich eine Mannschaft über einen längeren Zeitraum anschaut und deren Entwicklung begutachtet.
    Von daher finde ich sollten grad die NLZ´s anfangen Trainer auszusuchen die emphatisch, zielorientiert sind und ohne Ergebnisdruck arbeiten.
    Aber sind wir ehrlich, als TRainer hast du nur eine Chance hoch zu kommen wenn du Lizenzen büffelst, Ergebnisse generierst und Pokale und Meisterschaften lieferst.

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    1. Michi Schuppke Beitragsautor

      Hallo Kevin,

      das ist natürlich richtig. Leider! Aber um die Karriereleiter nach oben zu klettern, werden die Tabellen beurteilt und nicht die reine Entwicklung der Spieler. Um eine bestmögliche ENtwicklung der Spieler zu bekommen, muss man den Druck vom Trainer nehmen, seine Arbeit an der Tabelle zu beurteilen, sondern an der Entwicklung der Spieler.
      Viele Grüße
      Michi

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  2. Christian

    Hallo,
    mein Sohn ist 6 ,5 Jahre und spielt mit sehr viel Freude in der G-Jugend. Seine große Liebe ist die Torwartposition. Obwohl er einen guten Schuß hat traut er sich außer beim 7 Meter Schießen nicht richtig aufs Tor zu schießen, weil er keinem anderen weh tun möchte. Dass er im Tor den ein oder anderen Ball abbekommt ist für hingegen kein Problem.
    Auch auf dem Feld ist er ein guter Spieler mit gutem Spielverständnis und Blick für den freien Mitspieler (für sein Alter versteht sich).
    Jetzt zu meiner Frage: sollen wir ihn weiter im Tor spielen lassen, weil er dort am meisten Spaß hat und er sich auch gut entwickelt hat und seiner Mannschaft gute Dienste leistet oder eher mit den Trainern sprechen, dass es wichtig wäre ihn auch auf dem Feld spielen zu lassen, um ihm die Möglichkeit zur fußballerischen Weiterentwicklung zu geben.

    Danke für eure Meinung dazu.
    Weiter so

    Christian

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