Nicht alle Kinder sind gleich – Spielertypen

Geht es um die fußballerische Ausbildung, behandeln wir nach unserer Ausbildungsphilosphie alle Kinder gleich: gleiches Training für alle, gleiche Spielzeiten für alle, jeder darf (und muss) auf jeder Position im Feld ran.  Das ist wichtig, auch damit die Kinder ihrem Trainer vertrauen und sich von ihm nicht benachteiligt oder herabgesetzt fühlen. Diese Gleichbehandlung im Fußballerischen bedeutet jedoch nicht, dass ein Trainer bei allen Kindern die gleiche Ansprache pflegen sollte. Das wäre ein Fehler, der den unterschiedlichen Persönlichkeiten der Kinder nicht gerecht wird.

Als Jugendtrainer hat man es in der Regel mit zwei Spielertypen zu tun. Es gibt extrovertierte und introvertierte Spieler. Die damit verbundenen Verhaltensmuster sind unterschiedlich intensiv ausgeprägt, doch wirklich alle Kinder lassen sich in diese beiden Typen unterteilen und sind im Training leicht voneinander zu unterscheiden.

Der introvertierte Spieler ist leise, zurückgezogen, drängt sich nicht in den Vordergrund. Wenn der Trainer etwas sagt oder erklärt, hört er immer zu. Er saugt alles auf und versucht das Gehörte akribisch umzusetzen. Auf dem Spielfeld agiert ein solcher Spieler sehr sachlich. Er versucht immer alles richtig zu machen und ist im Training sehr fleißig. Regelverstöße oder Widerspruch müssen Sie von diesem Kind nicht erwarten.

Ganz anders der extrovertierte Kicker. Sie haben die Übung noch nicht einmal aufgebaut, da scharrt er schon mit den Hufen und will am liebsten gleich loslegen. Er platzt vor Energie und will sein Können unter Beweis stellen. Da kann es schon mal passieren, dass nur die Hälfte von dem ankommt, was Sie gerade erklären. Der Extrovertierte zeigt sich gern, auch auf dem Feld. Solche Charaktere sind meist die egoistischeren, später aber auch die wahrscheinlich kreativeren Spieler.

Machen Sie sich ruhig mal die Mühe, die Spieler ihrer Mannschaft einer der beiden Gruppen zuzuordnen. Anschließend schauen sie nach, wann die Kinder geboren sind. Sie werden feststellen, dass die extrovertierten Kicker meist die im Frühjahr geboren sind. Sie sind kräftiger und weiter entwickelt als die spätgeborenen Herbstkinder und spielen diesen körperlichen Vorteil auch charakterlich aus. Die Frühgeborenen gehen voran. Die Spätgeborenen halten sich lieber im Hintergrund. Natürlich gibt es auch hier Ausnahmen, aber eine Tendenz wird klar zu erkennen sein.

Beide, extrovertierte und introvertierte Typen, brauchen von Ihnen als Trainer eine unterschiedliche Form der Ansprache. Der Extrovertierte muss vom Trainer in dem, was er tut, gebremst werden. Es muss Ihnen gelingen, ihn charakterlich einzufangen und zu einem Teamplayer zu machen, der auf dem Feld nicht alles alleine macht. Extrovertierte Kinder – wen wundert’s – sind nämlich meist auch diejenigen, die die disziplinarischen Grenzen gern ausloten. Wir haben es erlebt, dass ein solcher Spieler auf eine Bemerkung seines Vaters vom Spielfeldrand erstmal stehengeblieben ist, sich zu seinem Vater gedreht hat und ihm laut und deutlich an den Kopf geworfen hat, dass er das Maul halten solle. Dasselbe kann Ihnen als Trainer früher oder später mit einem extrovertierten Spieler ebenfalls passieren, wenn sie ihn sein Ego ungezügelt ausleben lassen. Sie können einen solchen Spieler einmal oder auch zweimal ermahnen, wenn Sie nach dem dritten Mal keine disziplinarische Strafe folgen lassen, wird Ihnen dieser Spieler immer wieder auf der Nase herumtanzen.

Introvertierte Spieler müssen dagegen von ihnen animiert werden aus ihrem Schneckenhaus herauszukommen und sich auf dem Feld mehr zuzutrauen. Vor allem bei diesem Spielertyp ist Druck überhaupt nicht förderlich. Introvertierte Kicker setzen sich in ihrem Bestreben alles richtig zu machen selbst bereits extrem unter Druck. Kommt dann noch von Seite der Eltern oder von Ihnen Druck hinzu, kann der Spieler daran zerbrechen. In einer unserer Mannschaften hatten wir einen extrem introvertierten Jungen, der im Training sehr gut gearbeitet hat und längst alle technischen Voraussetzungen  besaß, um in Spielen Akzente zu setzen. Er traute es sich jedoch nie zu, sein Können auch auf dem Feld zu zeigen. Zwei Jahre haben wir ihn ermuntern müssen, sich zu zeigen, es allein zu probieren statt den Sicherheitspass zu spielen. Zwei Jahre hieß es immer und immer wieder: „Es ist mir egal, ob du in deinem Gegenspieler hängen bleibst. Geh drauf, probier‘s, mach’s.“ Zwei Jahre, bis endlich in einem Spiel der Knoten geplatzt ist und er – als Flügelspieler – zwei Treffer durch Sololäufe von der Mittellinie erzielt hat. Und das nicht zufällig, sondern weil er es so wollte und – seit längerem – auch konnte. Introvertierte Spieler engen sich selbst sehr ein. Die brauchen Sie als Trainer nicht einfangen, sondern sie müssen ihnen Freiräume geben und die Sicherheit Fehler machen zu dürfen.

Daher lohnt es sich im Sinne der Ausbildung und im Hinblick auf langfristigen Erfolg einen genauen Blick auf sein Team zu werfen und sich zu fragen, welche Spielertypen man vor sich hat.

Eine gute Fußballzeit!

Euer Michi

6 Gedanken zu „Nicht alle Kinder sind gleich – Spielertypen

  1. Rainer (von Der kleine Lionel)

    Hallo Michi,

    ich habe soeben diesen Beitrag von dir gelesen. Ich kann deinen Worten nur zustimmen. Es ist schön, dass Du die unterschiedlichen kommunikativen Herangehensweisen zum jeweiligen Spielertyp hervorhebst. Wie sagte mal ein bekannter Philosoph: <> – ähnlich verhält es sich auch auf sprachlicher Ebene mit den Jungs.

    Ich habe ähnliche Erfahrungen bezüglich extro- und introvertierter Nachwuchskicker gemacht. Ich glaube, dass man in der Trainingsarbeit viel tun kann. Trainingsübungen zur Förderung des logischen Denkens sind für extrovertierte Spieler optimal. Bei introvertierten Spieler finde ich hingegen einen emotionalen Ansatz interessant, der über diverse Coaching Cue’s gefordert werden könnte.

    Ich finde die Verschmelzung von Logik & Emotionalität sehr interessant, da sie für mich eine Vorstufe der Spielintuition darstellt. Über Trainingsübungen kann man da sicherlich einiges machen. Aber wie aus deinem Beitrag selbst hervorgeht, ist es vor allem erstmal wichtig zu erkennen, welche Spielertypen man hat. Kommunikation spielt in dieser Hinsicht für den Nachwuchstrainer – wie so oft – eine besondere Rolle.

    Beste Grüße nach München! 🙂

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    1. Michael Schuppke

      Hallo Rainer,

      vielen Dank für deinen Kommentar. Ich finde auch, dass hier tatsächlich viel zu oft alle über einen Kamm geschoren werden. Da muss es zwingend v.a. im Jugendbereich eine Differenzierung geben. Das wäre natürlich auch wieder mal ein Thema für einen Gastbeitrag von dir bei uns im Blog. Welche Übungen für extrovertierte Spieler kommen hierfür in Frage? Welche Ideen hast du konkret für introvertierte Spieler? Das wäre wirklich sehr interessant.

      Vielen Dank und eine gute Fußballzeit

      Michi

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  2. Sylke

    Hallo Michi,
    ich finde, die Einteilung in Extrovertiert = Egosit, der auch gerne mal ausfallend wird und Introvertiert = das schüchterne Sensibelchen, das mit Samthandschuhen angefasst werden zu Schwarz/Weiß gemalt. Ich glaube, dass die Persönlichkeiten der Kinder vielschichtiger sind. z.B. gibt es durchaus Kinder, die extrovertiert wirken, die aber durchaus geborene Teamplayer sind und sich Kritik/Fehler so sehr zu Herzen nehmen, dass sie total verunsichert sind. Andererseits gibt es Kinder, die auf dem Spielfeld in Anwesenheit des Trainers zurückhaltend und schüchtern wirken, in der Kabine aber große Sprüche klopfen, sogar mit Beleidigungen Teammitgliedern gegenüber wenig Teamfähigkeit beweisen, Im Glauben da der Trainer ja nur mit den anderen schimpft, Superspieler zu sein. Deshalb plädieren ich dafür, dass schon genauer hingeschaut werden sollte und im Prinzip alle Kinder gleich behandelt werden sollten. Ich habe schon Trainer erlebt, die Kinder nach dem Motto „der kann das ab“, vor allen anderen „disziplinieren“, dass es mich wundert, dass diese Kinder überhaupt noch Fussball spielen.
    Sylke

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    1. Michi Schuppke Beitragsautor

      Hallo Sylke

      da hast du nicht ganz Unrecht. Es gibt wie du sagst auch extrovertierte Typen, die ein großes Problem haben, mit Kritik umzugehen. Sie sind dann eben sehr verunsichert. Und genau darum geht es mir: Dass man genau diese Fälle alle rausfiltern muss. Natürlich gibt es nicht nur schwarz oder weiß. Das ist ein extrem vielschichtiges Feld und das würde hier den Rahmen sprengen. Mir geht es darum, zu verstehen, dass es eben viele unterschiedliche Typen gibt. Die sollte man als Trainer kennen und darauf reagieren können. Und da gibt es die stillen Wasser…:) Also genau das wollte ich sagen: Augen auf und Eure Spieler genau beobachten und kennenlernen, damit ich sie sol behandle, wie sie es brauchen und damit dann das Team insgesamt funktioniert. Aber alle gleich behandeln, so wie du es sagst, sollte man nicht. Denn wie will man hier einen Leitfaden finden, der wirklich allen gerecht wird?
      Natürlich gibt es Grundregeln und die müssen für Alle gelten. Aber wie ich z.B. auf die Mannschaft Druck ausübe, kann nicht einheitlich gesehen werden. Es sei denn, es werden Grundregeln verletzt. Aber bei fußballspezifischen Elementen muss unterschieden werden, denn sonst wird man früher oder später den oder anderen Spieler verlieren.

      Viele Grüße

      Michi

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  3. helga

    Ich bin natürlich kein Jugendtrainer, aber als Mutti beobachte ich die Kinder und habe nur das Einzige begriffen, dass es ein Team-Spiel ist. In diesem Sommer fahren die Kinder in ein Fußballcamp, wovor ich Angst habe. Jörg soll dann alleine die ganze Woche bleiben. Die Hoffnung lege ich auf den Trainer, der hat bei uns ein organisatorisches Talent! Danke herzlich für die Sensibilität trotz scheinbarer Härte!

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  4. Katja

    Vielen, vielen Dank für diesen Beitrag! Wir sind Eltern eines E Jugend Spielers. Wir sind schon daran verzweifelt, nicht zu wissen was wir tun können. Er ist technisch der stärkste Spieler in seiner Mannschaft, Mittelstürmer, hatte eine Saison einen Trainer der ihn zu Spitzenleistungen gebracht hat, über 100 Tore in der Saison. Dann kam der neue Trainer, der ihn sobald er ein Tor geschossen hat ausgewechselt hat und sobald er schießen wollte geschrien hat: “ flach vor’s Tor!“ . Mittlerweile gibt er nur noch Pässe vor’s Tor und schießt nur ganz selten. Wenn zwei Gegenspieler auch zum Ball rennen, bremst er ab, aber wenn er den Ball hat, dribbelt er auch vier aus. Im Training zeigt er die Übungen vor, im Spiel setzt er das dann aber nicht um und lässt anderen den „Vortritt“. Es ist jetzt ein zweiter Trainer hinzugekommen, der seine Fähigkeiten sieht und ihn langsam ermutigt. Wir hoffen sehr darauf, denn wir können natürlich dem Co Trainer nicht sagen, dass sein Cheftrainer dem Kind das Selbstbewustsein geschwächt hat. Vorletztes Spiel dann hat ihn der ( neue) Trainer hochgelobt als besten Mann auf dem Feld und ihn prompt am nächsten Tag beim Freundschaftsspiel auf die Ersatzbank gesetzt. Da war wieder Kopfkino angesagt.
    Wir versuchen ihm zu erklären, das der Trainer einen Plan hat, Taktik für jedes Spiel und entsprechend die zur Verfügung stehenden Spieler einsetzt. Bringt alles nichts. Sein Kopfkino.Wenn er vom Feld kommt, dann weil er schlecht gespielt hat. Wenn ein schwächerer Spieler für ihn reinkommt, dann muss er ja noch schlechter als der sein. Wenn er nicht in der Startaufstellung steht, dann muss er schlecht trainiert haben oder der Trainer denkt er sei zu schlecht. Dabei ist er wirklich gut. Wenn er ausserhalb des Trainings mit anderen Jugendspielern spielt, alles kein Problem.
    Es ist schon schwierig für Eltern das alles mitzumachen und immer wieder aufzubauen. Aber wir halten durch, bis auch bei ihm der Knoten platzt.
    Vielen Dank!

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