Langer Einwurf, Kopfball, Tor – willkommen bei der F-Jugend!

Am Wochenende habe ich meinen Junior zum Auswärtsspiel begleitet. Bestes Wetter, schöner Rasenplatz und Bratwurstsemmeln gab es sogar auch – der Verein hatte ein Jubiläum zu feiern. Wir waren pünktlich eine Stunde vor Spielbeginn da und so hatte ich Zeit, das eben stattfindende F-Jugend Spiel anzuschauen, während sich mein Sohn und seine Mitspieler umzogen und aufwärmten. Was ich da zu sehen bekam, war für die Entwicklung der Spieler absolut kontraproduktiv und für zu viele Kinder einfach nur schade.

Was war passiert? Schon bei der Aufstellung der Spieler auf dem Feld vor dem Anstoß konnte man einen deutlichen körperlichen Unterschied bei beiden Teams erkennen. Während bei Team Rot alle Spieler wie F-Jugend Spieler ausgesehen haben, waren bei Team Blau 5 Spieler auf dem Feld, die eher wie ältere E-Jugend Spieler gewirkt haben. Davon war einer auch noch Torwart. Schon unmittelbar nach Anstoß konnte man erkennen, wohin die Reise geht. Team Rot hatte eigentlich technisch gute und quirlige Spieler auf dem Feld und versuchten durch Dribblings, Tricks und teilweise schon ansehnlichen Pässen zum Erfolg zu kommen. Und es funktionierte tatsächlich so weit, dass sich die Spieler durch ihre gute Technik ein Stück weit durchsetzen konnten. Aber eben nur ein Stück weit. Kurz vor der Möglichkeit eines Abschlusses wurden sie einfach wieder eingeholt und geblockt. Durch den körperlichen Unterschied hatten sie in diesen Situationen keine Chance. Und was dann kam, habe ich in einer F-Jugend auch selten gesehen. Team Blau eroberte also am eigenen Strafraum den Ball und feuerte dann einen langen Ball nach vorne bis zum gegnerischen Strafraum. Diese Bälle hatten dabei die Kraft und die Höhe, wie man sie am Ende der E-Jugend oder noch später erwarten würde.

Vorne stand dann einer, der diese langen Bälle zwar kaum annehmen konnte, dafür aber mit dem Kopf als eine Art Torschuss verlängern und so mit abschließen konnte. Sprang der Ball mal etwas früher auf, dann lief er diesem einfach entgegen oder hinterher und schoss aus allen Lagen und Entfernungen eine Rakete nach der anderen. So stand es schnell 2:0 für Team Blau. Es hätte eigentlich schon nach 5 Minuten 6:0 stehen müssen. Aber reine Schusskraft ohne entsprechende Technik bringt halt auch hier nicht so viel.

So ging es munter weiter. Team Blau hatte nun seine Taktik geändert. Sie haben für sich entdeckt, dass ein großer Spieler plus der große Torwart für die Abwehr reicht. Vorne haben sie dann einfach die anderen drei großen Kerle am Strafraum platziert. Was sich jetzt abspielte kann man sich denken. Entweder der Abwehrspieler schnappte sich den Ball und haute ihn lang vor oder der Torwart, für den die paar Schüsse von Team Rot kein Problem waren und sie fast alle direkt fangen konnte, tat dem mit einem hohen und ebenso langen Abschlag gleich.

Beim Stand von 5:0 noch vor der Halbzeit dann der vorläufige Höhepunkt des Spiels. Es gab Freistoß an der Mittellinie für Team Blau in zentraler Position. Die Nummer 8 mit dem stärksten Schuss von den großen Jungs lief an und schoss den Ball direkt aufs Tor und in den rechten Winkel. Der kleine bzw. altersgerecht große Torwart von Team Rot konnte einem nur noch Leid tun. Kurz nach der Halbzeit fiel übrigens nochmal so ein Tor auf die genau selbe Weise.

Es war absurd, was sich da abspielte. Team Rot war mittlerweile vollkommen frustriert und Team Blau ahmte dann auch noch nach jedem Tor die Jubeleigenheiten der Profis nach. Aber es kam sogar noch verrückter. Und ich muss ehrlich sagen, dass ich das so noch nie gesehen habe. Nicht in einer F-Jugend und auch nicht in einer E-Jugend. Irgendwann kurz vor Ende des Spiels hatte Team Blau Einwurf in der gegnerischen Hälfte ca. 10 Meter hinter der Mittellinie. Die Nummer 8, der mit dem Mittellinien Geschoss, nimmt ein paar Schritte Anlauf und wirft den Ball in den gegnerischen Strafraum. Das war kein Einwurf, das war eine Flanke. Dieser Turboeinwurf landete genau auf dem Kopf des Mitspielers und der köpfte den Ball direkt ins Tor. Ich dachte ich sehe nicht richtig. Bin ich hier jetzt bei einem F-Jugendspiel oder in der Bundesliga. Kann ich eigentlich selbst so weit einwerfen?;)

Das Spiel endete dann „nur“ 8:1 für Team Blau. Nur deswegen, weil Team Blau ansonsten technisch in Summe nicht gut war und viele lange Bälle und Geschosse im Nirwana landeten. Und Team Rot kam tatsächlich zu einem Tor. Denn, und das war auch interessant, Team Blau wurde müde und baute körperlich ab. So kam Rot zu ein paar Chancen und irgendwann haben sie es geschafft und den großen Torwart einfach ausgespielt. Dass Team Blau müde wurde, ist ja nur logisch. Sie werden ja in ihrer Liga null gefordert, gehen nicht in Dribblings, probieren keine Tricks, laufen sich nicht frei, müssen in keine intensiven 1 gegen 1 Duelle usw. Alles was die Spieler also auch körperlich entwickelt, findet hier nicht statt. Konditionelle Probleme sind daher konsequent.

Es war einfach nicht schön, was ich sehen musste. Und man muss sich doch nur eine einfache Frage stellen. Was oder wer hat jetzt davon einen Nutzen für die Zukunft? Einfache Antwort: NIEMAND!

Denn Team Rot ist körperlich total unterlegen und somit fast das ganze Spiel mit der Situation überfordert. Team Blau ist körperlich extrem überlegen und damit klar unterfordert. Während die einen technisch aufgrund des ständigen Drucks nur wenig ausprobieren können, kommen die anderen gar nicht auf die Idee, technisch ansehnlichen Fußball zu spielen, wenn es so ja auch geht und es offensichtlich reicht.

Was hat denn Team Blau jetzt aus diesem Spiel gelernt? Dass man durch Freistöße an der Mittellinie zum Erfolg kommt. Oder durch weite Einwürfe. Aber funktioniert das in ein paar Jahren auf dem Großfeld auch noch? Natürlich nicht. Und vielleicht ist es hier aufgefallen: Ich habe immer nur von 5 Spielern aus Team Blau geschrieben. Es gab selbstverständlich noch zwei weitere Mitspieler. Die beiden waren technisch nicht gut und körperlich zwar groß, wirkten aber sehr unsportlich. Beide hatten vielleicht 5 Ballkontakte im ganzen Spiel. Wenn überhaupt. Wie sollen sich diese beiden auch nur annähernd weiterentwickeln können? Die traurige Antwort: Gar nicht. Nicht in diesem Team mit dieser Art von Fußball. Insgesamt kann man sogar feststellen, dass Team Blau für ihre Entwicklung an diesem Tag gar nichts getan hat.

Und Team Rot? Die waren das Ganze Spiel über extrem frustriert. Das merkte man Ihnen an. Aber der Trainer hat sie ständig weiter ermutigt, ihre Dribblings, Tricks und Pässe zu spielen. Und der Torwart musste Spielaufbau von hinten raus durchführen. Obwohl die eigenen Spieler von den Großen aus Team Blau zugestellt wurden. Sie haben es einfach probiert. Und wurden mit einem Tor und aufgrund der einsetzenden Müdigkeit des Gegners mit ein paar Chancen gegen Ende des Spiel für diesen unermüdlichen Einsatz „belohnt“. Auch wenn für sie dieses Spiel eine große Überforderung darstellte – den kleinen größeren Effekt für eine positive, langfristige fußballerische Entwicklung hatten die Jungs von Team Rot. Trotz der deutlichen Niederlage. Nur das erklären Sie mal so einem kleinen Kerl nach so einem Spiel. Der hat halt einfach 8:1 verloren und denkt zunächst, er kann nicht gut kicken. Die Zusammenhänge werden natürlich nicht verstanden.

Dabei wäre es so einfach. Auch in diesem Spiel mit diesen extremen körperlichen Unterschieden gäbe es Lösungen, so dass beide Teams was von diesem Spiel haben und weder über- noch unterfordert sind. Welche können das sein?

Schicken Sie uns doch einfach Ihre Ideen dazu und schreiben Sie uns einen Kommentar – wir würden uns über eine Diskussion dazu sehr freuen.

Eine gute Fußballzeit!

Euer Michael Schuppke

www.mfsfussballtraining.tv

14 Gedanken zu „Langer Einwurf, Kopfball, Tor – willkommen bei der F-Jugend!

  1. Philipp Mikuletz

    Diese Spielsituationen hatten wir in der F-Jugend als junger Jahrgang und in der E-Jugend als junger Jahrgang haben wir das auch wieder. Und es zeigt den Kindern ganz einfach eins, lang und weit bringt Sicherheit.
    Gegen körperlich überlegen Spieler hat man kaum eine Chance, außer man ist hat so viel Disziplin und spielt den Ball rechtzeitig ab.

    Die Lösung ? Der Verband, der Kreis sollte die Mannschaften vorher genauer beobachten und dann in entsprechenden Ligen melden.

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    1. Michi Schuppke Beitragsautor

      Hallo Philipp,

      eine sinnvolle Einteilung wäre sinnvoll, aber vorab also vor Saisonbeginn logistisch natürlich schwer zu gestalten. Und wer beurteilt dies dann? Was ist dann bei einer Fehleinschätzung? Daher wäre es am besten, das Regelwerk entsprechend anzupassen, so dass diese Ungleichheiten minimiert werden können.

      Viele Grüße
      Michi

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    1. Michi Schuppke Beitragsautor

      Kurz und Knapp! Sicher ein guter Weg für die Entwicklung der Kinder.

      Vielen Dank und viele Grüße

      Michi

      Antworten
  2. Mats Lüttmann

    Ich befinde mich mit meiner Mannschaft in einer ähnlichen Situation wie Team Blau.
    Je nach Stärke des Gegners versuche ich meiner Mannschaft verschiedene Vorgaben mitzugeben, die sie erfüllen sollen:

    – Verteidigung und Sturm wechseln in regelmäßigen Abständen die Positionen, damit jeder Spieler in die Position kommt angespielt zu werden (zB als Innenverteidiger im Rahmen eines kontrollierten Aufbauspiels).

    – Festgelegte Anzahl an Ballkontakten in der gegnerischen Hälfte.

    – (Wechselnder) Zielspieler der den Ball berührt haben muss, bevor wir den Torabschluss suchen.

    – Alle Spieler müssen bei Ballverlust erst wieder auf ihre Defensivposition, bevor wir wieder in die Balleroberung einschalten (bei regelmäßigen hohen Siegen, bleibt nämlich neben der Kondition nahezu immer das Defensivverhalten – weil nicht gefordert – auf der Strecke.

    Mit freundlichen Grüßen

    Mats Lüttmann

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    1. Michi Schuppke Beitragsautor

      Hallo Herr Lüttmann,

      das sind doch gute Vorschläge. Vor Allem die von dir beschriebene Rotation der Positionen wird ja von uns bei der Münchner Fussball Schule schon seit Jahren so vollzogen. Motto: Sich kurzfristig schwächer machen, um langfristig besser zu sein.

      Vielen Dank und viele Grüße

      Michi

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  3. Rene S.

    Hallo Michael, danke für deine Impressionen des Spieltages. Auch hier in Berlin erlebe ich das in Regelmäßigkeit. Gerade bei den 1. Mannschaften. Ich denke einfach da wird viel kostbare Zeit vertan und die Kids und Vereine haben langfristig nichts davon. Mein Vorschlag für deinen Fall wäre, dass sich beide Trainer in der Halbzeit darüber einigen, zu Gunsten von Blau – an der Spieleranzahl etwas zu ändern. Oder Abschlüsse nur unter bestimmten Regel für Blau zuzulassen. Ähnlich wie beim Funino, dass ich mit meinen Kids regelmäßig spielen lasse. Sowohl im Training als auch in Turnierform. Auch gibt es hier bei uns die sogenannte FairPlayLiga. Dort gelten besondere Regeln. Z.B darf der Torspieler seinen Abstoß nicht über die Mittellinie vollziehen, Freistöße werden nur indirekt ausgeführt; u.s.w. Aber vielleicht gibt es bei Euch ähnliche Regelungen. Das war´s erstmal von mir. Gruss Rene

    Antworten
    1. Michi Schuppke Beitragsautor

      Hallo Rene,

      vielen Dank für deine Vorschläge. Bei Team Blau einen Spieler weniger spielen zu lassen, ist sicherlich eine Lösung und habe ich auch selbst schon so durchgeführt. Man gewinnt das Spiel ja trotzdem, nur halt nicht mehr in der Höhe und demotiviert seinen Gegner nicht komplett. Außerdem ist dies für die Entwicklung der Kinder besser, da alle mehr Ballbesitz haben. Nachteil: es spielt eben ein Kind weniger und sitzt so auf der Bank.

      Vielen Dank und viele Grüße

      Michi

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  4. Lars Lenser

    Hallo Michi,

    ich selbst habe damals in einer Mannschaft gespielt, die den restlichen Teams im Kreis weit überlegen war. Damals war bei uns in der D-Jugend die höchste Spielklasse die Kreisliga A. Unser Trainer hat uns dann immer Aufgaben mit an die Hand gegeben. Er hat die Ballkontakte minimiert, Torerfolge nur über außen zugelassen oder gar das Dribbling vorausgesetzt, bevor man den Ball weiterspielen durfte. Das funktioniert natürlich nur so lange, wie man den Gegner damit nicht bloß stellt und man es nicht offen nach außen kommuniziert, das man den Gegner jetzt nicht mehr ernst nimmt und man deswegen die Ballkontakte auf drei beschränkt.

    Eine andere Möglichkeit wäre es, die Spieleranzahl zu verringern, was aber dann wieder der eigenen Entwicklung schaden würde, da die Spielanteile nicht mehr da wären.

    Bei dem von dir beschriebenen übermächtigen Team hätte man auch ganz einfach die langen Bälle verbieten und dadurch den Spielaufbau in den Fokus rücken können.

    Bei uns in NRW ist es bis zu D-Jugend regelwidrig, das der Torwart den Ball über die Mittellinie spielen darf (ähnlich wie damals in der Halle). Das kann natürlich Fluch und Segen sein.

    Ich bin mal gespannt, wie andere Trainer so eine Situation lösen würden.

    Beste Grüße

    Lars

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    1. Michi Schuppke Beitragsautor

      Hallo Lars,

      das muss eigentlich sofort umgesetzt werden: Der Torwart darf nicht über die Mittellinie aus der Hand schlagen. Sehe ich auch so. Nur so zwingst du die Spieler zu einer Art Spielaufbau.
      Vielen Dank!

      Michi

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  5. Benjamin Poth

    Hallo Michi und alle Leser.
    Diese Situationen wird es wahrscheinlich in ganz Deutschland geben. Diese Mittel geben kurzfristig Erfolg und damit messen sich einfach noch zu viele.
    Ich habe ein E-Jugend-Team, welches noch nicht sehr stark ist und wir verlieren auch einige Spiele. Das ist für mich aber in Ordnung, wenn in Spielen das Erlernte gut umgesetzt wird. Das klappt natürlich mal besser, mal schlechter.
    Ich versuche stets den Ball von hinten rausspielen zu lassen und keine langen Bälle zu spielen. Hierbei passieren natürlich noch viele Fehler, aber ich bin der Meinung, dass wenn ich dies weiter praktizieren lasse, habe ich spätestens in der D-Jugend, wenn das Feld deutlich größer wird, einen Vorteil. Der Torwart wird in vielen Teams nur selten eingebunden und auch hier versuche ich anzusetzen.

    Ein Top-Team werden wir sicherlich nicht, aber wir schaffen es schon in manchen Spielen einen ordentlichen Ball zu spielen und werden mit jedem Spiel in der Umsetzung des oben geschriebenen besser. Das macht mir persönlich viel mehr Spaß, als Spiele durch Dauerfeuer aus der Ferne zu gewinnen.

    Gruß,
    Benjamin

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    1. Michi Schuppke Beitragsautor

      Hallo Benjamin,

      hinten konsequent rausspielen zu lassen, ist natürlich fehlerhaft, je jünger die Spieler sind. Aber nur so lernen sie kicken und haben dann wie richtig beschrieben später den Vorteil, wenn das Feld groß und v.a. breit wird. Bis dahin muss man geduldig sein.

      Weiter so! Das ist der richtige Weg!

      Viele Grüße
      Michi

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  6. Sebastian Spirkl

    Beim Handball werden im Jugendbereich jedes Jahr vor der Saison Qualifikationsturniere gespielt. Damit ist gewährleistet, dass starke Jahrgangsmannschaften nicht in der untersten Liga antreten müssen, weil die Jahre davor kein Aufstieg geschafft wurde.
    Dabei ist man natürlich nicht vor Verletzungen und Abwesenheiten von Schlüsselspielern (bspw. durch Urlaub) geschützt, alles in allem spielen nach der Qualirunde aber relativ gleich starke Mannschaften in den jeweiligen Ligen.

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