Fußball ist leben lernen! – Nachtrag

Letzte Woche haben wir ausführlich dargestellt, warum wir der Meinung sind, dass Fußball in gewisser Weise leben lernen ist. Wir haben auch viel positives Feedback dazu von euch bekommen – DANKE dafür! Als kleiner Nachtrag dazu noch eine traurige Geschichte, die wir als Trainer live erlebt haben.

Stellen sich ein ganz normales E-Jugendspiel an einem Samstagvormittag vor. Irgendwo in der bayerischen Provinz. Es ist ein schöner Tag, die Heimmannschaft liegt mit 2:1 in Führung. Noch zwei Minuten sind zu spielen. Auf der Bank der Heimmannschaft sitzt ein Junge. Er ist für sein Alter sehr groß und kräftig, aber leider viel zu langsam und seine Technik ist auch nicht die beste. Aber er hat einen Riesenbums. Er kann richtig gut schießen. Dieser Junge hatte noch keine Sekunde auf dem Feld gestanden, weil er wohl für den Trainer viel zu langsam ist.  Plötzlich fällt der Ausgleich: 2:2. Und nur eine Minute später gibt es einen Freistoß für die Heimmannschaft in aussichtsreicher Position am Sechzehner. Was macht der Trainer in dieser Situation?

Er wechselt den kräftigen Jungen ein. Er soll den Freistoß kurz vor Ende schießen. Jener Junge, der noch keine Minute auf dem Feld gestanden hat. Und was macht der? Tatsächlich nagelt er das Ding in den Winkel. Riesenjubel bei Kindern und Eltern. Nachdem sich die Jubeltraube gelöst hat, stehen die Kinder zum Anstoß bereit. Der Trainer der Heimmannschaft hebt plötzlich sehr hektisch den Arm und wechselt noch vor dem Anstoß den „langsamen“ Torschützen wieder aus.

Nicht, dass es der Gegner in der letzten Minute noch ausnutzt, dass man einen fußballerisch nicht so begabten Kicker auf dem Feld hat.

Mit Verlaub: Das Gewinnen stand bei diesem Trainer derart im Zentrum, das in seinem Team keine Fußballer mehr ausgebildet werden, sondern egoistische Individuen, die im Fußball leider so auf lange Sicht weniger Erfolg haben werden.

Gewinnen ist schön, aber nicht um jeden Preis. Wir wollen Fußball in den  jungen Jahrgängen ausbilden, ihn spielen und Spaß haben. Und wenn wir gewinnen, umso besser. In dem Moment jedoch, in dem einer unserer Jungs darunter leiden muss, dass wir gewinnen, ist das kein Ziel mehr, nach dem wir streben sollten. Das müssen auch die Eltern begreifen, die oft nicht verstehen können, warum man – obwohl es sich um ein enges Spiel handelt – seinen stärksten Spieler gemäß Rotationsprinzip auf die Bank setzt oder auf eine schwächere Position schickt.

Eine gute Fußballzeit!

Euer Michi

2 Gedanken zu „Fußball ist leben lernen! – Nachtrag

  1. Lars Lenser

    Hallo Michi,

    leider ist dieses Vorgehen Gang und Gebe in vielen Vereinen.
    Ich selbst musste mich des öfteren schon den Fragen der Eltern stellen, warum ich das „Schwache“ und nicht das „Starke“ Kind eingewechselt habe. Jegliche Begründungen meinerseits wurden belächelt und mit der Aussage gekontert, das am Ende die Kinder den Spaß verlieren, wenn sie nicht gewinnen.
    Komischerweise ist das unter den Kindern selbst kein großes Thema, bei den Eltern aber umso mehr.

    Ich kann verstehen, das viele Kollegen da auf Dauer die Lust verlieren als Trainer ihre Freizeit zu opfern.

    Habt ihr so etwas selbst schon einmal erlebt und wenn ja, wie seid ihr damit umgegangen?

    Beste Grüße
    Lars

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    1. Michi Schuppke Beitragsautor

      Hallo Lars,

      wir gehen den Weg einfach so weiter. Denn in der Regel stellt sich auch bei diesem Weg später mal der Erfolg ein. Er dauert halt nur länger, ist aber von der Ausbildung der Spieler sinnvoller. Und wie du schon sagst, die Kinder finden das in der Regel gar nicht so schlimm. Natürlich: wenn die nur verlieren, dann macht das keinen Spaß mehr. Aber dann kann man ja mal ein Freundschaftsspiel oder ein Turnier spielen, wo man weiß, dass man höchstwahrscheinlich gewinnt. Wir ziehen also das einfach durch, weil es für die fußballerische und menschliche ENtwicklung der Kinder besser ist. Und ist keiner gezwungen, dabei zu sein. Jeder soll sich bitte das suchen, von dem er glaubt, dass es das Beste für das Kind ist. Nur bei uns läuft das halt eben so und wir sind davon überzeugt, dass es der richtige Weg ist.

      Viele Grüße

      Michi

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