Einsatz ist das Wichtigste!?

Uns erreicht vor ein paar Tagen die Nachricht eines Papas, der etwas konsterniert von den Erlebnissen bei einem Hallenturnier seines Sohnes erzählt:

„Hallo,

mein Sohn spielt in der F-Jugend.

Am Wochenende spielten sie ein Hallenturnier in einer Soccerhalle, von dem ich sehr enttäuscht war. Es war eine einzige Bolzerei im 4+1, gewollte Pässe konnte man in 10 Minuten an einer Hand abzählen. Die Mannschaft war den Gegnern körperlich leicht unterlegen, so dass der Trainer noch mehr „kämpfen“ als sonst einforderte, so dass jegliche Spielkultur aus Pässen oder Dribblings, die im Training zu sehen sind, verloren gingen. Nach dem Spiel wurden die Spieler für ihren Einsatz gelobt oder getadelt, aber das Passspiel und Ballkontrolle ignoriert.

Dahinter steckt eine Philosophie des Trainers. Er selbst war in seinem Talent eher limitiert, doch hat er es mit Ehrgeiz bis in die Auswahlmannschaft eines Landesverbandes geschafft, während viel talentiertere Spieler diesen Sprung nicht geschafft haben, denen diese Tugend fehlte. Er glaubt, dass der Einsatz das wichtigste sei, der Rest kommt schon von alleine durch die Trainingsarbeit und soll auch nicht vorgegeben werden.

Wie sehen Sie das?
Wie wichtig ist im Kleinfeldbereich der Faktor Einsatz/ Kämpfen für die spätere Entwicklung eines Spielers?“

Der zentrale Satz des beschriebenen Trainers ist: „Einsatz ist das Wichtigste, der Rest kommt schon von alleine!“. 50% dieser Aussage würden wir genau so unterschreiben. Einsatz und Leidenschaft sind die Grundlage für alles im Leben, bei dem man etwas erreichen möchte. So auch beim Fußball. Wer ohne Leidenschaft Fußball spielt, der wird es schwer haben sich auch gegen technisch eventuell unterlegene Mannschaften durchzusetzen.

Wenn man sich Pokalspiele ansieht, bei denen ja oft David gegen Goliath spielt, dann findet man die immer gleichen Aussagen von Experten und Kommentatoren. Als Beispiele seien hier letzte Saison der Auftritt der Bayern in Bochum oder gerade eben in Spanien das Gastspiel des FC Barcelona beim Drittligisten UD Ibiza genannt. In beiden Spielen ging der Underdog mit 1:0 in Führung um dann in der Schlussminute noch 1:2 zu verlieren. Die Reaktionen waren klar: Ibiza und auch Bochum hätten durch „viel Leidenschaft und Einsatz dem Favoriten Paroli bieten können“. Das ist auch richtig. Aber vergessen wird dabei, dass beide auch richtig gut und vor allem technisch anspruchsvoll Fußball gespielt haben. Wenn es gegen den FC Bayern reichen würde „nur“ viel Einsatz und Leidenschaft zu zeigen, um dem Gegner Probleme zu bereiten, dann müsste theoretisch jeder Verein aus der Kreisklasse dazu in der Lage sein. Weil kämpfen kann jeder!

ABER: Die gute Technik, oder wie es der Trainer im obigen Beispiel beschreibt „der Rest“, kommt eben nicht von alleine! Gerade in der F-Jugend ist Technik sogar der entscheidende und wichtigste Trainingsinhalt. Die Wissenschaft spricht da eine klare Sprache. Die Grenzertragslehre besagt, dass sich ein F-Jugendlicher technisch bis zu viermal mehr verbessern kann als physisch (siehe unser Blog: Die 4 größten Irrtümer über Jugendfußball). Deshalb muss das Techniktraining in der F-Jugend IMMER an erster Stelle stehen. Denn ein Kind lernt eben auch nicht „einfach so“ die richtige Technik, man muss sie ihm zeigen. Ein Grundschüler lernt ja schreiben auch nicht dadurch, dass er irgendwie Striche auf ein Papier malt und hofft, dass dabei Buchstaben herauskommen.

Und noch ein wichtiges Anliegen:

Der Vater schreibt ja, dass im Training beim Spiel diese Pässe und Dribblings vorhanden sind. Bitte lasst die Jungs diese auch im Wettkampf ausprobieren! Nur wenn die Kids ohne Druck Dinge auch im Spiel ausprobieren dürfen können sie sich weiterentwickeln. Wenn Sie im Spiel gezwungen sind jeden Ball nur wegzuschlagen und keine Fehler machen dürfen, werden sich ihre fußballerischen Fähigkeiten nicht weiterentwickeln und sie werden nie das Niveau erreichen, welches sie eigentlich durch eine gute technische Ausbildung erreichen könnten.

Herzliche Grüße

Michael Schuppke

2 Gedanken zu „Einsatz ist das Wichtigste!?

  1. Rene Schaloske

    Hallo Michi, ich bin etwas erschrocken, dass ihr ein solches Elternzitat zum Anlass nehmt, darauf hinzuweisen, dass die Technikausbildung ein elementarer Bestandteil des fussballerischen Ausbildung darstellt. Das oben genannte Zitat zeigt meines Erachtens nur, das wieder einmal die Eltern Zitat: „Spielkultur“ sehen wollen. Was bitte soll ich denn von einer F-Jugend an Spielkultur erwarten?
    Ferne sehen (können es auch nicht) Eltern aus meiner langjährigen Erfahrung nicht die Schwerpunkte die die Trainerin oder der Trainer gerade zum Zeitpunkt des Spiels/Turniers behandeln. Und da kommt es durchaus mal vor, das im Rahmen der Mentalität gegenüber den Kids argumentiert und positiv angespornt wird und die technischen Defizite, auch aus Motivationsgründen einfach mal außen vor gelassen werden. Die ich natürlich dann zu einem späteren Zeitpunkt im Training behandle. Mit dem Zitat: „…die Spieler für ihren Einsatz gelobt oder getadelt, aber das Passspiel und Ballkontrolle ignoriert.“ ist viel wichtiger das Loben zu erwähnen. Ich frage mich darüber hinaus ,warum Eltern bei solchen Ansprachen dabei sein dürfen. Aber das kann ich natürlich als Außenstehender nicht einordnen.
    Der Kern meines Kommentars ist auch, dass in deinem Blogbeitrag die Seite abgebildet wird, die einen Ansatzpunkt für die Technikausbildung in den Focus rückt. Aber die Sichtweisen der Eltern, ggf. persönliche Bewertungen der Arbeit des Trainers nicht weiter beleuchtet werden. Meines Erachtens liegt hier weniger die Philosophie des Trainers im argen, vielmehr fehlt es am Vertrauen zwischen Eltern und Trainer. Was aus meiner Meinung nach die Basis für eine positive Zusammenarbeit ist.

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    1. Michi Schuppke Beitragsautor

      Hallo Rene,
      beim ersten Teil deiner Antwort muss ich dir klar widersprechen. Es ist möglich, dass man einer F-Jugend beibringt, z.B. eine Sohlenwende zu machen und dann über den Torwart das Spiel auf die andere Seite zu verlagern (also eine „Spielkultur“ zu haben). Das sehen wir aus jahrelanger Erfahrung in allen unseren Teams (und das sind größtenteils „normale“ Mannschaften und keine hochtalentierten Kicker).
      Beim zweiten Punkt gebe ich dir durchaus Recht. Als Eltern hat man (oder sollte man) wenig Einblick in die Trainingsarbeit und kann damit auch nicht beurteilen, was für den Trainer gerade im Moment wichtig ist.
      Grundsätzlich halten wir trotzdem die Technikausbildung in der E- und F-Jugend für das allerwichtigste. Diese muss eigentlich in jedem Spiel und Training Hauptbestandteil sein.
      Die Eltern sollten natürlich trotzdem dem Trainer nicht in seine Arbeit rein reden und allerhöchstens, wenn sich über mehrere Wochen gravierende Dinge angestaut haben, das persönliche Gespräch mit dem Trainer direkt suchen.
      Viele Grüße
      Michi

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