Der Relative Age Effect – Die Auswertung

Nachdem wir den Begriff Relative Age Effect definiert haben und auch näher beschrieben haben, welche Probleme sich denn aus diesem Effekt heraus ergeben, wollen wir jetzt endlich die Ergebnisse der Untersuchung von Dominic Faul aus seiner Arbeit „Der Relative Age Effect in den Leistungszentren der 1. und 2.Bundesliga“ präsentieren. 

Ziel war es, alle Spieler der U17- und U19-Teams der 36 Lizenzvereine der 1. und 2. Fußball-Bundesliga zu untersuchen. Um keine Verzerrungen der Ergebnisse zu bekommen, wurden nur Teams in die Auswertung aufgenommen, aus deren Kader mindestens 11 Spieler samt deren Geburtsdaten vorlagen. Durch dieses K.O.-Kriterium fielen 10 der 72 Teams aus der Wertung (u.a. FSV Frankfurt, Fortuna Düsseldorf und SC Paderborn 07). So ergab sich für die Untersuchung eine Gesamtstichprobe von 1339 Spielern aus 62 Mannschaften. 

  1. U17-Junioren 

Bei genauer Betrachtung der Geburtenverteilung der U17-Junioren der 1. und 2.Bundesliga fällt auf, dass der Unterschied zwischen den für den Relative Age Effect besinders relevanten Monaten Januar, Februar und März im Gegensatz zu den restlichen Monaten eklatant ausfällt. Diese ersten drei Monate decken bei den U17-Junioren gemeinsam 51,91% und damit mehr als die Hälfte aller Geburtsdaten ab. Von den verbleibenden 48,09% für die restlichen neun Monate des Jahres entfallen nur 8,33% auf die Monate Oktober, November und Dezember zusammen. Es ist also ein deutliches Ungleichgewicht zu Gunsten der Monate Januar, Februar und März erkennbar. Besonders auffällig ist der Januar – er deckt ganze 22,05% ab. Damit sind im Januar etwa so viele Spieler geboren wie in der gesamten zweiten Hälfte Jahre ab dem Monat Juli.

U17_1

2. U19-Junioren

Die Verteilung der Geburtsdaten der 763 ausgewerteten U19-Juniorenspieler fällt zwar homogener aus, weist aber dennoch in eine deutliche Richtung. Und auch wenn kein solch deutlicher Einbruch wie bei den U17-Junioren erkennbar ist, zeigt die Grafik doch den stetigen Abfall der Geburtenzahl vom Januar bis hin zum Dezember. Wieder deckt das erste Quartal mit Januar, Februar und März gemeinsam bereits 42,32% aller U19-Spieler ab. Im Vergleich dazu entfallen auf das letzten Quartal nur 11,79%.

U19

 

Man kann also ein deutliches Ungleichgewicht zu Gunsten von frühgeborenen Spielern in den U17- und U19-Mannschaften der 1. und 2. Bundesliga feststellen. Ob dies nun auch Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit bzw. auf den Tabellenplatz hat, bleibt natürlich offen. Zu vermuten ist, dass dies bei den U17- und U19-Junioren nur noch kaum zutrifft, da der körperliche Unterschied sich ja genau in diesen Altersklassen ausgleicht und der bessere Fußballer sich durchsetzt. Aber was Fakt ist: Eine Vielzahl von Kindern und Jugendlichen, welche in der zweiten Jahreshälfte und v.a im letzten Quartal geboren sind, fallen einfach durch das Raster der Talentbeurteilung, nur weil sie in jungen Jahren die physischen und psychischen Voraussetzungen noch nicht mitbringen.

Hier sehen wir auch verstärkt unsere Aufgabe in der Münchner Fussball Schule, auch diese Kinder intensiv zu fördern. Dies würde sich definitiv lohnen – am Ende ist ein Thomas Müller und ein David Alaba in den letzten fünf Jahren zu wenig,in Relation zu der immens hohen Anzahl an Kindern, die in Deutschland mit 6 Jahren das Fußballspielen beginnen. 

Zum Abschluss möchten wir die Ergebnisse aller Spieler, also der U17-und der U19-Junioren gemeinsam, zusammenfassen. Wir würden uns sehr über eine Diskussion darüber freuen.

U17+U19

 

 

Eine gute Fußballzeit!

Euer Michi

8 Gedanken zu „Der Relative Age Effect – Die Auswertung

  1. Daniel

    Ist doch ganz klar, die Mütter haben einfach keine Lust im Hochsommer schwanger zu sein, da das für sie nur anstrengender ist. Im Winter mit einem dicken Bauch rumzulaufen ist ein geringeres Übel als im Sommer bei +30 Grad.

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  2. Oliver S

    Hallo miteinander!

    Um diese Statistik aussagekräftiger zu machen, müsste man die Geburtsmonate aller Jungen in diesen Jahrgängen haben.

    Aber die Aussage im Allgemeinen ist richtig, dass Spieler, die in den ersten drei Monaten des Jahres geboren wurden, bei den großen Vereinen bevorzugt werden.

    Ein Punkt kommt noch hinzu, und dieser ist vor allem bei den jüngeren Jahrgängen wichtig. Das ist der Unterschied zwischen Früh- und Spät-Entwickler. Im Vorteil ist nicht nur ein Spieler, der am Anfang des Jahres Geburtstag hat, sondern auch noch zu den Frühentwicklern gehört. So hätte dieser zum Beispiel gegenüber einem Spätentwickler, der im Dezember geboren wurde bis zu drei Jahre Vorsprung.

    Was bedeutet er kommt relativ schnell in den Genuss einer qualitativ höheren Ausbildung.
    Das ist zum Beispiel im französischen Jugendfussball zu sehen. Ein Spätentwickler, hat trotz altersgerechter Leistung überhaupt keine Chance mehr.

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  3. Oliver B.

    Hallo in die Runde,

    >Um diese Statistik aussagekräftiger zu machen, müsste man die Geburtsmonate aller Jungen in diesen Jahrgängen haben.

    Das stimmt, zumindest müsste aber ein Abgleich gegen alle „aktiven“ Fußballer (also sprich die Jungs, die auch in der breite Spielen) erfolgen. Vlt. ist das sogar innerhalb der Ausarbeitung (Magisterarbeit?) erfolgt. Ansonsten wäre es tatsächlich eine gewisse Schwäche der Arbeit.

    ABER: Ich finde es wichtig, dass so eine Betrachtung in den Fokus rückt, denn leider beobachte ich viel zu oft, dass wirklich „talentierte“ kleine Jungs und Mädchen auf den Dorfplätzen weniger Spielzeit bekommen, weil sie von anderen einfach überrannt werden.
    Erstaunlich, wie die Trainer (gerade im unteren Bereich) schon auf „Meisterschaften“ fixiert sind (und das, obwohl es die bei uns in der F gar nicht gibt)

    VG
    Oliver

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    1. Michi Schuppke Beitragsautor

      Hallo Oliver,

      es ist tatsächlich sehr schwer, einen Vergleich mit der breiten Basis herzustellen. Das war aber nicht Aufgabe der Diplomarbeit, sondern Sinn war es, die Scoutings und die Selektion der NLZs genauer zu betrachten. Und du schreibst es ja sehr schön: Unabhängig davon, wann die Spieler geboren sind, ist es sehr offensichtlich, dass in F- und E-Jugend Teams im Amateurbereich sehr oft und zum großen Teil schnelle oder große und kräftige Jungs spielen. Diese gewinnen unabhängig ihres fußballerischen Potentials fast jeden Zweikampf, sind einfach schneller und haben aufgrund der Größe oft schon einen unglaublich festen Schuss. Und damit gewinnt man Spiele. Kleinere Spieler, oft sehr gute Techniker, kommen wenig zum Einsatz, da sie körperlich nicht mithalten können. Grundübel ist dabei das Denken in Meisterschaften. Wäre dies nicht vorhanden, gäbe es dies alles nicht oder nicht in der Form. Wie du schon gut gesagt hast: erstaunlich wie die Trainer auf Meisterschaften fixiert sind.

      Grüße
      Michi

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  4. Manu

    Absolute Zustimmung, dies ist mir auch öfters schon aufgefallen.
    Die Leistungszentren hier in der Nähe (FFM/OF) verfahren schon ab der E-Jugend alle nach dem Prinzip:
    „Hauptsache körperlich weit, was an Fähigkeiten fehlt bringen wir ihnen bei“. (Das ist ein O-Ton und Konsens bei vielen Trainern).

    Nach Statistik (Statistisches Bundesamt) müssten eigentlich die meisten Kinder im Sommer Geburtstag haben. Die Seite hinter dem folgende Link ermöglicht die Ansicht der Geburtenrate nach Monaten im Zeitverlauf von 1950 -2010
    http://www.demografie-blog.de/2012/03/wann-die-kinder-kommen-zeitmaschine

    Es dürfte allen Gesetzen der Mathematik zu Folge tatsächlich so sein, dass 60-70% der talentiertesten Spieler eines Jahrgangs nie in eine Förderung gelangen.

    Es ist offensichtlich, dass hier ein großes Potential verloren geht.

    Antworten
    1. Michi Schuppke Beitragsautor

      Hallo Manuel,

      vielen Dank für deinen Beitrag. Dein Link über die Demografie ist sehr interessant. 60 -70%, die keine ausreichende Förderung aus den erwähnten Gründen bekommen – Schade, dass so viel Potential ungenutzt bleibt.

      Vielen Dank!

      Michi

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  5. Filou

    Hallo,

    finde es auch sehr traurig das es in den NLZ aber auch in den kleinen Vereinen so abläuft.
    Habe selber die Erfahrung bei meinem Sohn gemacht, ich war damals Co-Trainer. Der Trainer sagte in der Kabine spieler x spielt heute weil er körperlich stärker ist, spieler y sei zwar spielstärker aber den bräuchte man erstmal nicht in der Startelf. Da habe ich mich wenige Monate für einen Vereinwechsel entschieden. Aber im neuen Verein wurde der Trainer der für mich wirklich gut war ausgetauscht im Sommer. Der neue Trainer stand leider auch nur auf die großen jungs so das oft kein Platz für meinen kleinen da war. Da der Kader recht groß war wurde dieser aufgeteilt, ich habe die E2 übernommen wo ich 12 Kinder habe wovon 10 Kinder im zweiten Halbjahr Geboren sind. Die großen spielen natürlich alle E1, wobei der Trainer der E1 selber zu gibt das die E2 spielstärker ist. Das ist schon ein krasses Armutszeugnis für einen Kindertrainer. Meiner war zwischendurch bei einem NLZ zur Sichtung, man wollte ihn nochmal sehen zum Probetraining(kann ja dann nicht so schlecht sein) aber mein kleiner wollte nicht. Er spielt nun bei mir mit den anderen kleinen und ist Glücklich. Alles andere kommt von allein wenn es so sei.

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  6. Benjamin Kaser

    Hallo,

    das es den R.A.E. gibt ist bewiesen und leider Tatsache.
    Mich würden eure Lösungsansätze interessieren!?
    Also ich komme aus Österreich und habe mit dem ÖFB zu tun.
    Einen Vorschlag hätte ich: (ob er gut oder schlecht oder ob er umsetzbar ist wage ich nicht zu beurteilen)
    Meiner Meinung nach sollte der Kinder/Jugendfußball erst mit ca. 12 Jahren Erfolgsorientiert sein und vorher nicht. Natürlich gibts da die Begründung bezüglich dem Konkurrenzkampf (was ich nicht ganz entkräften kann), aber ich würde den Kindern und dem Trainer den Erfolgsdruck nehmen und dem Trainer die Möglichkeit geben sich wirklich mehr auf die Entwicklung der Kinder zu konzentrieren und nicht unbedingt von Anfang an alles gewinnen müssen. Außerdem kann der Trainer bei einem Match dann jedes Kind „gleich lange“ spielen lassen.

    Was sagt ihr dazu und habt ihr auch Lösungsvorschläge?

    LG

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