Der neue FC Bayern – Vom Dauerlauf zum Sprint

Der FC Bayern erlebte durch den Trainerwechsel von Nico Kovac hin zu Hansi Flick eine 180 Grad Wende, die gleich beim ersten Ligaspiel, dem 4:0 gegen Borussia Dortmund deutlich wurde. Die Spieler des FC Bayern machten es Hummels & Co extrem schwer. Sie haben die Anspielmöglichkeiten im Mittelfeld clever unter Druck gesetzt und sind unermüdlich angelaufen.

Bei Nico Kovac sah das Pressingverhalten noch anders aus. Die Spieler warteten tiefer in der eigenen Hälfte, sind von links nach rechts gelaufen und nur teilweise gab es ein unkontrolliertes und situatives Pressing. Danach sollte bei Balleroberung schnell Richtung gegnerisches Tor Umgeschalten werden. Realtaktisch sah es jedoch anders aus, denn der Bayern ist keine Umschaltmannschaft. Nach Balleroberung wurde der Ball eben nicht sofort Richtung Tor gespielt, sondern man hat das Spiel beruhigt und neu aufgebaut. Dies hatte zwei Gründe. Zum einen lebt der FC Bayern von Ballbesitz und sie sind es gewohnt den Ball in den eigenen Reihen zirkulieren zu lassen um sich den Gegner so zurecht zu legen. Außerdem stehen die Gegner des FC Bayern grundsätzlich eher tief, wodurch ein schnelles Umschalten meist nicht möglich ist.

Flick hat diesen Spielstil deutlich verändert. Wie am Beispiel Dortmund schon angesprochen stehen die Bayern jetzt deutlich höher und attackieren den Gegner bereits tief in dessen Hälfte. Diese Änderung wurde in den ersten Spielen auch an den Ergebnissen deutlich, als man aus 4 Spielen 4 Siege holte und ein beeindruckendes Torverhältnis von 16:0 aufweisen konnte. Doch in den letzten beiden Spielen gegen Leverkusen und Gladbach stockte der Motor. Zumindest ergebnistechnisch waren die beiden 1:2 Niederlagen ein Rückschlag. Doch wieso funktionierte das flicksche System auf einmal nicht mehr? Es gab von diversen Experten einiges an Kritik an der Aufstellung gegen Gladbach. Doch hier müssen wir Flick ganz klar in Schutz nehmen. Dass der Bayerncoach nach der 1:2 Niederlage gegen Leverkusen rotiert, ist nachzuvollziehen. Pavard hatte gegen Bailey enorme Tempoprobleme und man wurde dafür eiskalt bestraft. Da Gladbach in der Offensive Spieler mit hoher Geschwindigkeit besitzt, ist es durchaus vertretbar die schnelleren Spieler (Kimmich und Boateng), Pavard und Martinez vorzuziehen. Das Spiel wurde nicht wegen einer Rotation verloren, die nach der Tempoberücksichtigung sinnvoll ist, sondern wegen eines anderen Aspektes. In beiden Spielen hatte Bayern Chancen für 4-5 Tore. Diese wurden aber fast alle vergeben. Einfach nur Pech? Wir haben eine andere Theorie.

Die Art und Weise wie unter Hansi Flick gepresst wird, unterscheidet sich zu der von Nico Kovac.  Das bedeutet nicht, dass die Spieler jetzt weitere Strecken zurücklegen, sondern dass sich das Laufverhalten geändert hat. Wurden unter Kovac (und auch schon vorher bei Ancelotti) große Strecken nur in einem relativ gleichmäßigen Tempo zurückgelegt, z.B. beim Verschieben, so müssen die Spieler nun unter Flick viele Intervallläufe in höchstem Tempo absolvieren um den Gegner so früh wie möglich zu stören und unter Druck zu setzen. Dies war in dieser Intensität (Stichwort: langfristiger Koniditionsaufbau) zuletzt unter Guardiola der Fall. Also vor über 3 Jahren. Deswegen funktionieren die ersten Pässe nach Balleroberung noch, beim Torabschluss fehlt es aber an der nötigen Konzentration, die Spieler sind nicht „frisch“ im Kopf. Die Anzahl und Intensität der Sprints sind die Bayern einfach nicht mehr gewohnt. In der Winterpause sollten deshalb intervallartige Belastungen trainiert werden, um die Voraussetzungen für das aktuelle Pressingverhalten zu schaffen. Wir sind uns sicher, dass diese Belastung auch durch die Vielzahl an Spielen immer mehr trainiert wird und die Ergebnisse dann auch wieder besser werden.

Ein zusätzlicher Aspekt ist die Psyche der Spieler. Eine Mannschaft, die in den ersten 45 Minuten den Gegner, den aktuell Ersten in der Bundesliga, an die Wand spielt, sich Chance um Chance rausspielt, es aber versäumt ein Tor zu schießen, wird sich nur die mangelnde Torausbeute vorwerfen können. Tendenziell wiegt man sich in Sicherheit, da man den Gegner ja komplett an die Wand gespielt hat. Gladbach hingegen wird in der Halbzeit einen richtigen Einlauf bekommen haben. Sie sind Tabellenführer der Bundesliga, spielen zuhause und haben die riesige Chance den FC Bayern auf 7 Punkte zu distanzieren. Somit kommt eine Mannschaft aus der Kabine im Gefühl des sicheren Sieges und die andere brennt darauf die erste Halbzeit vergessen zu machen. Wie das ausgehen kann, hat man gesehen…

Eine Übung, wie man diese Intensität vor dem Tor simulieren kann, stellen wir euch im nächsten Blog vor.

Herzliche Grüße

Michael Schuppke

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert