Der DFB gibt die Richtung vor – Ballbesitz, Dominanz und Individualität

Hansi Flick hat kürzlich in einem Artikel die Richtung für die Ausbildung in Deutschland vorgegeben.

Dabei möchte er den Fokus auf Ballbesitz legen, um so später in den Nationalmannschaften jeden Gegner zu dominieren zu können. Damit stellt sich zwangsläufig für jeden Jugendtrainer die Frage, wie ich diesen Ballbesitz erzielen kann und welchen Rückschluss dies auf die Ausbildung in Deutschland  hat.

Um hohen Ballbesitz erzielen zu können benötigen wir technisch herausragende Spieler. Zum einen müssen alle Spieler in der Lage sein,  sich durch Finten und perfekten Spielaufbau aus jedem noch so starken Pressing spielerisch befreien zu können. Zusätzlich müssen Sie technisch so stark sein, dass der Gegner nicht an den Ball gelangt, selbst wenn er ausschließlich mit Mann und Maus am eigenen Strafraum verteidigt. Diese herausragenden technischen Fähigkeiten erzielen unser Nachwuchsspieler jedoch nur, wenn wir unsere Mannschaften trotz Wettkampfdruck und Erfolgsorientierung hinten herausspielen lassen und nicht auf das leider sehr verbreitete und gängige Wegschlagen von Bällen reduzieren.  Zum anderen  müssen wir unsere sehr jungen Spieler mit hohem Fokus auf Technik und Finten ausbilden. Durch Finten werden Passwege und Räume geöffnet und Überzahlsituationen geschaffen.

Gerade in sehr jungen Jahren ist hier der Lernerfolg riesig.

Allerdings sollten wir alle anderen entscheidenden Elemente des Fußballs nicht vernachlässigen.

Wir dürfen nicht nur auf Technik und Spielaufbau setzen, da wir sonst alle anderen Elemente vernachlässigen. Was machen wir, wenn wir den Ball verlieren? Um hohen Ballbesitz  erreichen zu können, müssen wir den Ball umgehend zurückerobern. Dies erreichen wir durch ein schnelles Gegenpressing. Hierzu benötigen wir Athletik und Einsatzwillen. Daher sollten auch schon junge Spieler stets darauf hingewiesen werden, Ihr Bestes auch in der Defensive zu geben. Der athletische Anteil im Training in Form von Koordinations- und Schnelligkeitsübungen darf demnach nicht weggelassen werden. Allerdings sollte der Schwerpunkt an die Grenzerträge des Lernens angepasst sein. Je jünger die Kinder, desto höher der Lernerfolg in Sachen Technik und Koordination. Je älter die Jungs werden, desto stärker muss der Fokus auf Athletik und Ausdauer gelegt werden. Einsatzbereitschaft und Siegeswillen sollten in der Ausbildung immer eingefordert werden.

Hansi Flick und Heiko Vogel fordern zusätzlich mehr Individualität der Spieler. Durch hohe Ballbesitzzeiten wird der Gegner auf Grund von nachlassender Kondition immer tiefer in seine Hälfte gedrückt. Die Folge davon ist, dass die Räume für schnelle Kombinationen immer kleiner und enger werden. Um solche Abwehrverbände, die teilweise im 6-3-1 agieren, zu knacken, benötigen wir individuell starke Spieler die sich im 1 gegen 1 durchsetzen können. Wie bekommen wir solche Spieler?

Indem wir sie technisch und athletisch extrem gut ausbilden und Ihnen das Selbstvertrauen einimpfen. Dies erreichen wir jedoch nur, wenn wir unsere Jungs auch mal was ausprobieren lassen und sie ermuntern, es bei einem verlorenen Duell erneut zu versuchen. Leider verbieten die meisten Trainer schon in ganz jungen Jahren jegliche Finten und jedes Risiko, um nicht in einen Konter zu laufen. Wir erdrücken förmlich die individuelle Entwicklung unseres Nachwuchses. Deshalb wundert es auch nicht, dass uns diese 1 gegen 1 Spezialisten im deutschen Nationalteam fehlen und wir uns zunehmend schwerer gegen tiefstehende Mannschaften tun. Auch in den meisten NLZs  wird extrem geradlinig auf Kombinationsfußball und schnellst möglichen Torerfolg gespielt. Im Training wird fast ausschließlich Passen, Laufen und schießen trainiert. In den meisten Leistungsvergleichen zwischen NLZ-Teams wird im Spielaufbau der Ball kaum quer oder zurückgespielt, geschweige denn ist Platz für Finten und Tricks. Oft soll der Ball schnellstmöglich auf die Spitze oder die 10 gespielt werden, damit man möglichst viele Spieler hinter den Ball bekommt, um so sicher zu stehen falls der Ball verloren geht.

Einen sauberen Spielaufbau gegen ein starkes Pressing zu spielen wäre in solchen Spielen zu riskant und meist auch nicht erfolgreich. Das Resultat dieser Ausrichtung sind athletisch und kämpferisch starke Jungs, denen die Technik fehlt um ganz nach Oben durchdringen zu können. Wir opfern die Ausbildung unseres Nachwuchses, damit sich Verein und Trainer optimal präsentieren. Dies trifft nicht auf alle Trainer und Vereine zu, jedoch auf die meisten.

Heiko Vogel moniert in einem Artikel, dass  in der Jugend zu viel Wert auf Taktik gelegt wird und zu wenig auf das Offensive 1 gegen 1.  Wir sind der Meinung, dass beides einhergehen muss. Nur wenn Gegner taktisch stark sind, verengen sie die Räume um die Ballführenden. Somit steigen der Anspruch und die Notwendigkeit von Individualität. Es sollte allerdings im Training keine Trockenverschiebeübungen trainiert werden. Das taktische Verhalten kann in einer Teambesprechung vor dem Spiel kurz angesprochen werden und nachher beim Spiel im Livecoaching korrigiert werden.

Unsere Befürchtung liegt  darin, dass sich Jugendtrainer zu sehr auf Technik und Ballbesitz fokussieren und den Rest vernachlässigen. Wir müssen bis zur C-Jugend ganzheitlich ausbilden und erst dann positionsspezifisch spezialisieren. Alle Bereiche haben in der Ausbildung von Kindern Ihre Berechtigung und sind absolut unabdingbar, um einen herausragenden Fußballer zu entwickeln. Die  Trainingselemente sollten zum richtigen Zeitpunkt und in der richtigen Dosis trainiert werden. Auf unserem Portal www.mfsfussballtraining.tv findet Ihr passende Übungen zu allen Elementen sowie Videos zum altersgerechten Training.

 

Ein gutes Training

Euer Faxe

2 Gedanken zu „Der DFB gibt die Richtung vor – Ballbesitz, Dominanz und Individualität

  1. Oliver

    Das von Hansi Flick geforderte 1 vs 1 wird an einigen Stellen innerhalb der Verbände durchaus auch kritisch gesehen. Es bleibt hier das Bsp Spanien, das zeigt, dass ein auf Ballbesitz ausgerichtetes Spiel auch sehr gut mit (Kurz-)Passspiel funktioniert.
    Die Wahrheit mag wie immer irgendwo dazwischen liegen, aber, wenn man sich die Ausbildungsstufen im Aufbau des DFB sieht, so wird hier von der Individual- (D Jgd) über die Gruppen- (C Jgd) hin zur Mannschaftaktik (ab B btw A Jagd) diskutiert. Kann ich aber in der D Jgd einfach auf den Rest verzichten? Ich habe immer so das Problem, dass einfach in solchen Fällen fast nur schwarz weiß gedacht wird (siehe auch euer Meinung ;-))

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    1. David Niedermeier Beitragsautor

      Hallo Oliver,

      Passspiel alleine kann sehr effektiv sein. Wer aber genauer hinsieht, sieht auch im spanischen Spiel sehr viele Finten und auch Blickfinten, um Passwege und Passwinkel zu öffnen.
      Deshalb dürfen wir nicht nur in eine Richtung ausbilden. Es wird viel zu früh in eine Richtung spezialisiert, mit der Folge, dass unsere Spieler ein bestimmtes Niveau gar nicht erst erreichen können.
      Wir müssen deshalb ganzheitlich ausbilden und erst ab der alten C-Jugend spezialisieren. Wir versuchen alle Aspekte der Ausbildung abzudecken. Mit Deinen Worten, versuchen wir grau zu denken :-))

      Viele Grüße
      Faxe

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