Das Umschaltspiel der Profis im Nachwuchsfußball – gut für unsere Talente?

In der Bundesliga ist es mittlerweile bei mehr als 50% der Teams Wochenende für Wochenende zu beobachten – eine Spezialisierung auf ein reines Umschaltspiel ohne das Risiko eines eigenen, technisch anspruchsvollen Spielaufbaus.  Und sieht man sich aktuell Juniorenspiele v.a. im Nachwuchsleistungsfußball an, dann ist eines auffällig: überall hört man die Kommandos Druck und Umschalten. Mag sein, dass dieser Fußball sich am Ende in der Tabelle positiv auswirkt. Aber wie wirkt sich denn dies auf die Talententwicklung aus?

Es ist wirklich ein regelrechter Trend geworden, dem Gegner den Ball zu überlassen oder sogar absichtlich Fehlpässe zu spielen, um den Gegner dann aggressiv zu pressen und nach erfolgreicher Balleroberung auszukontern. im zweiten Fall wird also sogar ein absichtliches Fehlerspiel praktiziert, um zum Ziel zu kommen. Leipzig oder Bayer Leverkusen unter Roger Schmidt haben dies sogar offen kommuniziert. Die Idee ist ja nicht neu. Als Underdog einer Partie war es auch schon früher eine erfolgsversprechende Strategie, sich in der eigenen Hälfte einzuigeln und auf Konter zu lauern. Absichtlich Fehlpässe zu spielen gab es bis vor Kurzem noch nicht.

In der Bundesliga waren Hoffenheim und Leipzig in den letzten Jahren extrem erfolgreich mit dieser Strategie. Diesem Beispiel sind mittlerweile fast alle Bundesligateams gefolgt. Und so kopieren nun auch sehr viele Junioren- und Amateurteams diesen Spielstil. Dadurch wird im Juniorenbereich dies nicht nur gespielt, sondern unter der Woche auch intensiv trainiert. 

Das große Problem an dieser Strategie liegt darin, dass unsere Nachwuchstalente nur noch darauf bedacht sind, zu pressen und schnell zu kontern und nicht mehr damit konfrontiert werden, wie man z.B. ein Pressing des Gegners mit cleveren technischen Lösungen erfolgreich überspielt und daraus den Vorteil zieht. Oder damit, länger in eigenem Ballbesitz zu bleiben, seine offensiven Spieler in eine offene Stellung zu bringen und dort dann in einem offensiven 1 gegen 1 zum Erfolg zu kommen. Allgemein gesagt, einen klaren eigenen Spielaufbau zu spielen, mit einfachen und schweren technischen sowie flexiblen taktischen Lösungen.

Im reinen Umschaltspiel mit aggressivem Pressing schlagen unsere Defensivtalente Bälle in Bedrängnis einfach lang nach vorne, während die Offensiven auf den zweiten Ball gehen. Unsere Offensivtalente erobern dann im besten Fall den Ball und finden dann sehr große Räume zum Kontern vor. Damit rückt das offensive 1 gegen 1, das technische Lösen von engen Spielsituationen, der technische saubere Spielaufbau, oder einfach gesagt die technischen Fähigkeiten eines Spielers in den Hintergrund.

Das Resultat aus dieser eindimensionalen Philosophie sind langfristig große Defizite in der Technik und dem Spielaufbau der Spieler. Und damit geht auch automatisch und selbst verursacht ein Verlust an herausragenden Fußballern einher.

Wir befinden uns, meiner Meinung nach in einem Teufelskreis, der unweigerlich unseren Talentepool in Deutschland verkleinert.

Wenn wir uns die Spiele in der Bundesliga ansehen, die bedauerlicherweise fast allen Ausbildern in Deutschland als Vorbild dienen, so fällt eines besonders auf:

Keines der Teams, außer Bayern München, versucht durch reinen Kombinationsfußball zum Torerfolg zu kommen. Die Spiele sind extrem taktisch geprägt. Beide Teams spielen sich gegenseitig lange oder tief gespielte Bälle zu, um dem Gegner keine Chance zu geben einen Konter fahren zu können.

Es geht eigentlich nur noch um Pressing und Gegenpressing! Viele werden nun sagen, dass Bayern München ja auch die Spieler mit den entsprechenden technischen Voraussetzungen  hat. Ja genau – darum geht es doch. Die anderen haben diese Spieler in dieser Anzahl nicht. Weil eben auch aus der Jugend wenige Spieler nachkommen, die diese technischen Qualitäten haben. Nur wenn ich sie nicht technisch ausbilde und dann auch technisch Fußballspielen lasse – woher sollen die denn kommen?

Noch ein weiteres Beispiel: Im aktuellen Nachwuchsleistungsfußball dürfen die zentralen Mittelfeldspieler sich oft gar nicht mehr tief anbieten, weil sie dort den Ball verlieren könnten oder dann vorne im Gegenpressing fehlen. Doch wie sollen diese Talente lernen, ein Spiel technisch anzutreiben, Doppelpässe zu suchen oder gar kreativ zu werden? Wie sollen die Spieler in offensive 1 gegen 1 Situationen kommen, wenn wir Sie nicht freispielen oder in offene Stellungen bringen?

Dass die Trainer in der Bundesliga  Ihre Teams so spielen lassen ist zum Teil verständlich, da hier enormer Erfolgsdruck herrscht und der Trainer stets bei Niederlagen mit dem Rauswurf rechnen muss. Nur dürfen unsere Juniorenteams, unsere Amateurteams  und auch U21- Teams diesem Trend auf keinen Fall folgen. Leider geben immer mehr NLZs und auch gute  Amateurclubs diese Philosophie für alle Teams bis ganz nach unten vor.

Wir müssen unseren Nachwuchs dringend vielseitiger ausbilden, um technisch, taktisch und athletisch tolle Fußballer zu entwickeln. Spieler, die über Spielintelligenz, Spielwitz und Kreativität verfügen. Wie wir dann im Herrenfußball unser Team spielen lassen, um den maximalen Erfolg zu erzielen, steht auf einem anderen Blatt Papier. Und darf aber kaum eine Rolle für die Ausbildung unserer Talente spielen.

Noch ein kurzes, relativ aktuelles Beispiel aus der Bundesliga. Vielleicht erinnert sich der ein oder andere noch an die Pressekonferenz von Ralf Rangnick vom Anfang Februar diesen Jahres. Hier attestierte er der eigenen U19 von RB Leipzig, dass sie die schlechteste seit Jahren sei und keiner für den aktuellen Profikader in Frage kommt. Hintergrund war, dass er einen Ersatz für den verletzen Halstenberg benötigte. Auch Forsberg war zu dieser Zeit nicht an Bord und so liegt es natürlich nahe, sich im eigenen Nachwuchs zu bedienen. Der Verein brauchte also auch technisch gute Spieler, die es aber offensichtlich nicht gab und gibt. Wenn man sich Jugendspiele von RB ansieht, ist dies leider nicht verwunderlich. Die Philosophie des aggressiven Pressings und Umschalten wird dort vielleicht mehr verfolgt also irgendwo anders in Deutschland.

Am Ende brauchte Ralf Rangnick die Spieler mit technischen Qualitäten, die der Verein über Jahre hinweg nicht ausgebildet hat. Er hat sie nicht und kommuniziert dies auch noch öffentlich. In unseren Augen ist dies doch sehr verwunderlich. Als Reaktion darauf hat Rangnick übrigens angekündigt, noch intensiver zu scouten. „Wenn es sein muss, auch in Indien“.

Eine gute Fußballzeit!

Euer Faxe

4 Gedanken zu „Das Umschaltspiel der Profis im Nachwuchsfußball – gut für unsere Talente?

  1. Mark

    Ich bin F-Jugend-Trainer und beobachte diese Tendenz sogar bei unseren F-Jugend-Spielen. Viele Gegner lassen Ihren Torwart nur lange Bälle nach vorn bolzen und versuchen dann über zweite Bälle oder mit ihrem besten Spieler (der vorn geparkt wird) zum Torerfolg zu kommen. Zusätzlich werden 2 Spieler hinten geparkt, um selbst keine Konter zu bekommen. Wir haben durch diese Gegnerstrategie einige Spiele verloren, in denen wir deutlich mehr konstruktive Ballaktionen als die Gegner hatten. Wir versuchen einen konstruktiven Spielaufbau über kurze Pässe von hinten heraus. Das ist in der F-Jugend natürlich noch sehr unstabil und fehleranfällig, weswegen wir auch immer wieder einige Gegentore durch Ballverluste im Spielaufbau hinnehmen müssen. Trotzdem bleiben wir natürlich bei dieser Strategie! Es ist allerdings sehr enttäuschend, dass viele F-Jugendmannschaften so stark ergebnisorientiert spielen (nach meiner Wahrnehmung mind. 50% unserer Gegner).

    Für mich ist in dem Zusammenhang auch das Interview mit D.Tedesco enttäuschend, bei dem er erklärt, wie er mit einer Bambini-Mannschaft die Meisterschaft geholt hat: http://www.spox.com/de/sport/fussball/bundesliga/1710/Artikel/interview-domenico-tedesco-schalke-04,seite=2.html

    Ich finde es gut, dass ihr die Probleme hier thematisiert. Der Grundsatz „Kinderfussball ist kein Ergebnisfussball“ hat sich leider noch nicht durchgesetzt. Deswegen hoffe ich, dass solche Artikel von Euch helfen, mehr Trainer und Nachwuchsleiter auf den richtigen Weg zu bringen.

    Antworten
    1. Michi Schuppke

      Hallo Mark,

      bitte unbedingt bei Ihrer Spiel- und Lernphilosophie bei den Kleinen bleiben! Das ist der richtige Weg – wie Sie selbst auch schon richtig sagen. Er ist nur mühsam, dafür aber in ein paar Jahren der erfolgreiche Weg! Sie sagen es völlig richtig: Kinderfußball ist kein Ergebnisfußball. Und darf es auch nicht sein!

      Viele Grüße

      Michi

      Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert