Der Relative Age Effect

Wir haben hier an der ein oder anderen Stelle schon mal ein klein wenig über den Relative Age Effect gesprochen. Also über den Hinweis, dass im leistungsorientierten Jugendfußball v.a. in den älteren Jahrgängen überdurchschnittlich viele Jugendliche spielen, die in ihrem Geburtsjahr früh geboren sind und damit einen physischen und psychischen Vorteil gegenüber den z.B. im November oder Dezember geborenen Spielern haben. Ist dem wirklich so? Oder relativiert sich bei näherer Betrachtung der Relative Age Effect? Wir wollen hier diesem Thema näher auf den Grund gehen und an dieser Stelle eine Untersuchung präsentieren, die Dominic Faul – Sportwissenschaftler und Lizenztrainer der Münchner Fussball Schule – im Rahmen seiner Diplomarbeit „Der Relative Age Effect in den Leistungszentren der 1. und 2.Bundesliga“ veröffentliche.

Zunächst müssen wir aber den Begriff Relative Age Effect klären. Damit wird die Effizienz der Talentförderung im Fußball untersucht und ein Stück weit bewertet. Im Jugendfußball, wie in anderen Sportarten auch, werden Kinder und Jugendliche nach ihrem Alter in Jahrgänge und Doppeljahrgänge eingeteilt. Etabliert hat sich hier das Kalenderjahr als pragmatische und einfache Lösung. Seit 1997 ist im Fußball der 1. Januar der Stichtag für eine Jugendmannschaft – Kinder und Jugendlichen zwischen Januar und Dezember geboren spielen somit gemeinsam in einer Mannschaft. Dies sorgt dafür, dass sich Kinder und Jugendliche in der gleichen Leistungsstufe wieder finden, obwohl ihr biologisches Alter um 12 Monate in Jahrgangsmannschaften und sogar um bis zu 24 Monate in Doppeljahrgängen variiert. Das bedeutet, dass ein Kind im Alter von 10 Jahren, dass im Januar geboren ist, gegen Teams antritt, deren Spieler im Dezember geboren sind oder sogar im Extremfall gegen Spieler spielt, die sogar noch jünger sind. So sind die biologischen Entwicklungsprozesse und die Bewegungserfahrungen des 10 Jährigen logischerweise schon weiter fortgeschritten. So genannte „früh geborene“ haben also in den jeweiligen Altersklassen aufgrund dieses Vorsprungs tendenziell einen körperlichen und auch kognitiven Vorteil gegenüber den „gleichaltrigen“ Mitspielern. Unabhängig vom technischen und taktischen Entwicklungsstand werden Mannschaften mit vermehrt „früh geborenen“ Spielern mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit aufgrund des v.a. körperlichen Vorteils mehr Spiele gewinnen als im umgekehrten Fall.

Das Ergebnis ist eine Verschiebung im Selektionsprozess hingehend zu einer Bevorzugung relativ älterer Spieler, da diese dem Trainer oder dem Verein mehr Spiele gewinnen werden. Die Tatsache, dass gute Jugendausbildung weiterhin zum großen Teil am Erfolg gemessen wird, unterstützt diese Art der Talentbeurteilung. Lames et al. (2008) verstehen daher unter dem Relative Age Effect eine „Abweichung der Verteilung der Geburtstage von selektierten Sportlern (Kader, Auswahlmannschaften, hohes Wettkampfniveau) von deren Verteilung in vergleichbaren Normalpopulationen“. Es ist schließlich nicht anzunehmen, dass sich fußballerisches Talent nur auf die Anfangsmonate des Jahres verteilt, sondern dass es relativ gleich verteilt von Januar bis Dezember vorliegt.

Was sind nun die Effekte daraus und warum muss der Relative Age Effect als problematisch betrachtet werden? Dies wollen wir euch dann im zweiten Teil näher erläutern.

Bis dahin eine gute Fußballzeit!

Euer Michi

 

Ein Gedanke zu „Der Relative Age Effect

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